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Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yuval Noah Harari
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Gesellschaften und im gesamten Westen hängen und wirkten noch weiter, nachdem die Sklaverei längst abgeschafft worden war. Anfang des 19. Jahrhunderts verbot das Britische Weltreich die Sklaverei und unterband den Menschenhandel auf dem Atlantik, und in den folgenden Jahrzehnten wurde die Sklaverei in einem Land nach dem anderen abgeschafft. Es war das erste Mal, dass sich eine Gesellschaft von Sklavenhaltern freiwillig von der Sklaverei verabschiedete. Doch die rassistischen Mythen blieben bestehen, und die Rassentrennung wurde von rassistischen Gesetzen und Gepflogenheiten aufrechterhalten.
    Das Ergebnis war ein Teufelskreis. Ein gutes Beispiel dafür ist der Süden der Vereinigten Staaten unmittelbar nach dem amerikanischen Bürgerkrieg. Im Jahr 1865 wurden alle Afroamerikaner aus der Sklaverei befreit und waren damit den Weißen vor dem Gesetz mehr oder weniger gleichgestellt. Doch nach zwei Jahrhunderten der Sklaverei waren die schwarzen Familien viel ärmer und ungebildeter als die meisten weißen Familien. Ein Schwarzer, der 1865 in Alabama zur Welt kam, hatte also deutlich schlechtere Chancen, eine gute Ausbildung zu kommen und eine gut bezahlte Arbeit zu finden. Seine Kinder, die um das Jahr 1895 zur Welt kamen, fanden sich in derselben schlechten Ausgangsposition, denn auch sie wurden in eine arme, ungebildete Familie geboren.
    Aber die wirtschaftliche Benachteiligung war noch nicht alles. In den Südstaaten gab es schließlich auch arme Weiße. Wenn Geld der einzige Faktor gewesen wäre, dann hätte sich die scharfe Trennung zwischen den Rassen im Laufe der Zeit verwischt, nicht zuletzt durch Heiraten. Leider hingen die Menschen – Weiße wie Schwarze – im Jahr 1865 verbreiteten Vorurteilen an, nach denen Schwarze dümmer, fauler und unmoralischer waren als Weiße, eher zu Gewalt, Verbrechen und Krankheit neigten und überhaupt unrein waren. Wenn es einem Schwarzen aus Alabama im Jahr 1895 durch ein Wunder gelungen wäre, eine gute Schulbildung zu erhalten, und wenn er sich nach seinem Abschluss um eine Position als Bankangestellter beworben hätte, dann hätte er gegen weiße Mitbewerber mit gleichen Qualifikationen keine Chance gehabt. Schwarze galten schließlich als unzuverlässig, faul und dumm.
    Man sollte meinen, dass die Menschen doch irgendwann hätten erkennen müssen, dass es sich um Mythen handelte, nicht um Fakten, und dass sich die Schwarzen im Laufe der Zeit als genauso fähig, gesetzestreu und »rein« erwiesen als die Weißen. Doch im Gegenteil, das Vorurteil verstärkte sich im Laufe der Zeit noch. Da die besten Stellen von Weißen besetzt waren, fiel es den Weißen immer leichter zu glauben, dass die Schwarzen tatsächlich minderwertig waren: »Sie sind seit Generationen frei, aber es gibt so gut wie keine schwarzen Professoren, Anwälte, Buchhalter und Ärzte. Ist das nicht ein Beweis, dass sie weniger intelligent und fleißig sind?« Es war ein Teufelskreis im Gange, in dem Schwarze keine Arbeit als Angestellte bekamen, weil sie als dumm galten, und der Beweis für ihre Minderwertigkeit war die Tatsache, dass es so gut wie keine schwarzen Angestellten gab …

    Damit endet der Teufelskreis jedoch noch lange nicht. Aus den zunehmenden Vorurteilen gegen Schwarze entstanden neue Gesetze und Normen, die dem Erhalt der rassistischen Ordnung dienten. Schwarze durften nicht mehr wählen, keine weißen Schulen besuchen, nicht in weißen Geschäften einkaufen und nicht in weißen Hotels übernachten. Die Begründung lief immer darauf hinaus, Schwarze seien schmutzig, faul und gewalttätig, und man müsse die Weißen vor ihnen schützen. Aus Furcht vor Krankheiten wollten Weiße nicht in denselben Betten schlafen und von denselben Tellern essen wie Schwarze. Aus Angst vor der Gewalt und schlechten Einflüssen wollten sie nicht, dass ihre Kinder dieselben Schulen besuchten wie schwarze Kinder. Aus Furcht vor der Dummheit der Schwarzen verboten sie ihnen, ihr Wahlrecht auszuüben. Diese Ängste wurden mit pseudowissenschaftlichen Untersuchungen untermauert, die »bewiesen«, dass Schwarze in der Tat weniger intelligent waren, häufiger unter bestimmten Krankheiten litten und eher kriminell wurden. (Dabei übersahen die Wissenschaftler geflissentlich, dass diese »Tatsachen« ein Ergebnis der Rassendiskriminierung waren.)
    Mitte des 20. Jahrhunderts war die Rassentrennung in den früheren Südstaaten schärfer als Ende des 19. Jahrhunderts. Als sich der schwarze Student Clennon King im Jahr

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