Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yuval Noah Harari
Vom Netzwerk:
Anfang des 19. Jahrhunderts keinerlei Kontakt zur Außenwelt. Über 10000 Jahre hinweg lebten sie in völliger Isolation. Niemand wusste von ihrer Existenz, und sie wussten nichts vom Rest der Welt. Sie durchlebten ihre eigenen politischen Auseinandersetzungen, gesellschaftlichen Veränderungen und kulturellen Entwicklungen. Aber für die Kaiser von China oder die Könige von Mesopotamien hätten die Tasmanier genauso gut auf einem anderen Stern leben können. Die Tasmanier lebten in einer eigenen Welt.
    Auch Amerika und Europa waren lange Zeit eigene Welten. Im Jahr 378 wurde der römische Kaiser Flavius Valens in der Schlacht von Adrianopel von den Goten besiegt und getötet. Im selben Jahr wurde König Chak Tok Ic h ’aak von Tikal von einer Armee aus Teotihuacan besiegt und getötet. (Tikal war ein wichtiger Stadtstaat der Mayas im heutigen Guatemala, und Teotihuacan war die größte Stadt des amerikanischen Doppelkontinents, die mit 250000 Einwohner etwa auf einer Stufe mit dem damaligen Rom stand.) Es gab keinerlei Verbindung zwischen der Niederlage Roms und dem Aufstieg Teotihuacans. Rom hätte sich genauso gut auf dem Mars befinden können und Teotihuacan auf der Venus.
    Wie viele menschliche Welten gab es auf der Erde? Vor 12000 Jahren gab es vermutlich Zehntausende. Bis zum Jahr 2000 vor unserer Zeitrechnung war diese Zahl auf einige Hundert, höchstens wenige Tausend geschrumpft. Bis zum Jahr 1450 war die Zahl noch dramatischer geschrumpft. Damals, kurz vor Beginn der europäischen Erkundungsfahrten, gab es auf der Erde zwar noch einige Zwergwelten wie die von Tasmanien. Doch knapp 90 Prozent aller Menschen lebten in einer einzigen Mega-Welt: der afro-eurasischen Welt. Die drei Kontinente Europa, Asien und Afrika (einschließlich Schwarzafrika) waren durch kulturelle, politische und wirtschaftliche Bande weitgehend miteinander verbunden. Der gemeinsame kulturelle Topf wurde beispielsweise durch religiöse Pilgerfahrten immer wieder aufgerührt. Ein muslimischer Pilger, der im Tal des Niger in Westafrika zur Hadsch aufbrach, konnte in Mekka Gläubigen aus Ostafrika, dem Balkan, Zentralasien, Indonesien und sogar aus China begegnen.
    Die übrigen 10 Prozent der Menschheit verteilten sich vor allem auf vier Welten von beachtlicher Größe und Bedeutung:
    1. Die mesoamerikanische Welt, die von Zentralamerika bis Nordmexiko reichte.
    2. Die Andenwelt entlang der Westküste von Südamerika.
    3. Die australische Welt auf dem Kontinent Australien.
    4. Die ozeanische Welt, zu der die Inseln des Südwestpazifik von Hawaii nach Neuseeland gehörten.

    Karte 3. Die Erde im Jahr 1450. Bei den benannten Orten in der afro-eurasischen Welt handelt es sich um Städte, die der muslimische Reisende Ibn Battuta im 14. Jahrhundert bereist hatte. Ibn Battuta stammte aus Tanger in Marokko und besuchte Timbuktu, Sansibar, den Süden Russlands, Zentralasien, Indien, China und Indonesien. Seine Reisen illustrieren die Einheit Afro-Eurasiens zu Beginn der Neuzeit.
    In den folgenden drei Jahrhunderten verleibte sich der afro-eurasische Gigant die übrigen Welten ein. Mesoamerika wurde im Jahr 1521 geschluckt, als die Spanier das Aztekenreich eroberten. Die Eingemeindung der Ozeanischen Welt begann etwa zur selben Zeit mit der Erdumseglung durch Fernanda Magellan. Die Andenwelt brach 1532 zusammen, als die spanischen Conquistadores das Inkareich zerstörten. Die australische Welt verschwand im Jahr 1788, als die Briten mit der Besiedlung des Kontinents begannen. Und Tasmanien wurde schließlich 1803 mit der Errichtung der ersten britischen Kolonie auf der Insel geschluckt.
    Der afro-eurasische Riese benötigte einige Jahrhunderte, um diese Welten zu verdauen, doch der Prozess war nicht wieder rückgängig zu machen. Heute leben alle Menschen unter demselben politischen System (der gesamte Planet ist in international anerkannte Nationalstaaten aufgeteilt), demselben wirtschaftlichen System (die Kräfte des Marktes erfassen selbst die entlegensten Winkel des Planeten) und demselben Rechtssystem (zumindest theoretisch gelten überall die Menschenrechte und das Völkerrecht).
    Diese Weltkultur ist keineswegs homogen. Genau wie ein Körper verschiedene Organe und Zelltypen hat, so setzt sich unsere globale Kultur aus vielen unterschiedlichen Lebensformen und Menschen zusammen, von Börsenmaklern der Wall Street bis zu afghanischen Hirten. Trotzdem stehen sie alle in enger Verbindung und beeinflussen einander auf vielfältige Weise. Auch

Weitere Kostenlose Bücher