Eine Lady nach Maß
auf oberflächliche Schönheit und unwichtige Äußerlichkeiten spezialisierte?
Kapitel 8
V or Hannah lag beim Erwachen ein Tag voller Verheißungen. Die Sonne war noch nicht am Horizont emporgeklettert, aber es stand schon ein sanftes Glühen am Himmel, als sie Wasser in ihre Waschschüssel goss.
Ein Mittwoch war eigentlich nicht der geeignete Tag, um eine Neueröffnung zu begehen, aber Hannah war zu aufgeregt, um das Ereignis zu verschieben. Am gestrigen Abend hatte sie noch Schilder gemalt. Eines trug die Worte ‚offen‘ und ‚geschlossen‘ auf Vorder- und Rückseite und auf einem zweiten standen ihre Serviceleistungen. ‚Damen- und Maßschneiderei‘ stand dort in großen Lettern und ‚Änderungen und Reparaturen‘ in kleineren Lettern darunter. Ein Schild für jedes Fenster. Später am heutigen Tag würde sie ein größeres Geschäftsschild bestellen. Mr Hawkins hatte erwähnt, dass der Schmied solche Schilder entwarf und fertigte. Sie würde ihm einen Besuch abstatten, wenn sie Mr Tucker seine Werkzeuge zurückgebracht hatte.
Schnell schüttelte sie die Gedanken an ihren lästigen Nachbarn ab und ging zurück zu ihrem Bett, um ihr Nachthemd auszuziehen. Röcke und Kleider aller Art behinderten sie bei ihrem Frühsport, deshalb zog Hannah es vor, ihre Übungen in Unterwäsche zu machen, wenn es die Privatsphäre erlaubte. Sie kniete sich auf den Boden und zog eine Kiste mit Trainingsutensilien unter dem Bett hervor. Dann wählte sie die beiden Kurzhanteln und stellte sich mitten in den Raum, die Fersen ihrer nackten Füße zusammen, die Zehen nach außen.
Sie brauchte dreißig Minuten, um die Wiederholungen sorgsam durchzuführen. Die Arme gestreckt zur Seite, dann langsam nach oben und vor dem Körper wieder nach unten. Dann das Gleiche mit gebeugten Armen. Anschließend dreißig langsame Kniebeugen. Als Nächstes kam das Dehnen. Bedächtig mit den Händen den Fußboden berühren, einen seitlichen Ausfallschritt nach links, dann nach rechts. Die Arme an die Wand legen und den Körper abwenden, wieder erst links, dann rechts. Sie wiederholte jede Übung zwanzig Mal, bevor sie zur nächsten überging. Als sie fertig war, waren ihre Muskeln warm und schmerzten ein klein wenig. Zufrieden nickte Hannah.
Sie wischte sich den leichten Schweißfilm mit dem Handtuch ab und zog dann ihr Sportkleid und die Schuhe mit den flachen Absätzen an. Die schmutzige Schürze von gestern ersetzte sie durch eine frische. Da sie sich in der Gegend noch nicht sehr gut auskannte, beschloss sie, die Straße entlangzugehen, um sich nicht zu verlaufen. Auf dem Rückweg könnte sie durch die Felder gehen und trockene Äste für ihr Feuer sammeln. Sie hängte sich eine große Tasche um, sodass diese ihr bei ihrem raschen Tempo nicht in die Quere kommen würde. Dann machte sie sich auf den Weg zu ihrem ersten morgendlichen Rundgang durch Coventry.
Hannah erwartete nicht, so früh schon jemanden in der Stadt anzutreffen, deshalb zuckte sie erschrocken zusammen, als sie plötzlich Mr Tucker auf der anderen Straßenseite auftauchen sah. Sie schluckte ihre Überraschung hinunter, lächelte freundlich und winkte ihm kurz zu, als sie Richtung Norden ging, um die Stadt zu verlassen. Er erwiderte ihre Geste mit erhobener Augenbraue, was auf seine Überraschung oder seine Missbilligung zurückzuführen sein konnte. Es war unmöglich, das zu sagen.
Hannah hob ihr Kinn und beschleunigte ihren Schritt, bis ihre Arme seitlich mitschwangen. Mr Tucker würde sie nicht einschüchtern. Sollte er doch denken, was er wollte. Körperliche Bewegung tat jedem Körper gut. Vor allem, wenn man einen Beruf hatte, in dem man viel saß. Vielleicht hatte ihr dieser Sport sogar schon das Leben gerettet.
Als der Abstand zwischen ihr und Coventry größer wurde, wurden Hannahs Schritte langsamer, bis sie in ihr übliches Tempo fiel, schnell, aber nicht hektisch. Die Schönheit des Morgens umfing sie mit Vogelgezwitscher und Sonnenschein. Eine kühle Brise zupfte an ihren Haarsträhnen. Hannah hob eine Hand, um sie wieder in ihren Zopf zu stecken.
Mr Tuckers Reaktion war genau wie die der meisten Leute. Schon die Pensionswirtin, bei der Hannah in San Antonio gewohnt hatte, hatte gesagt, sie müsse verrückt sein, so viel Energie darauf zu verschwenden, zu laufen und doch kein Ziel zu haben.
Wahrscheinlich war es wirklich ein bisschen sonderbar. Die meisten Frauen im Westen arbeiteten hart von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Sie hatten keinen Grund,
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