Eine Lady nach Maß
er das zu Gottes Ehre.
Er vergewisserte sich, dass die Wagen und Einspänner weit genug voneinander entfernt standen, damit die Pferde genug Gras hatten, um die Zeit des Gottesdienstes über nicht zu hungern. Er nahm den Ehemännern schon am Eingang der Kirche die Zügel ab, damit die ganze Familie gemeinsam die Kirche betreten konnte. Die reichen Männer aus der Stadt sahen es als selbstverständlich an, dass er das für sie machte, und bedankten sich kaum, aber die Farmerfamilien und die älteren Menschen waren ihm immer sehr dankbar und gaben ihm das Gefühl, dass er einen wichtigen Dienst tat.
„Morgen, J.T.!“, rief Daniel James aus einiger Entfernung. Der Junge entfernte sich von seiner Mutter und seinen Schwestern und bahnte sich einen Weg zu ihm.
„Belästige J.T. jetzt nicht. Hörst du, Daniel?“, rief Louisa ihm hinterher.
„Mache ich nicht, Ma.“ Aus jeder Silbe konnte man hören, wie genervt Danny war.
J.T. konnte ihn nur zu gut verstehen. Der Junge lebte in einem Haus mit lauter Frauen. Er sehnte sich nach männlichen Gesprächspartnern und J.T. zog es vor, dass sich der Junge mit ihm unterhielt und nicht den Kontakt zu den fast erwachsenen Kerlen aus der Stadt suchte, die nichts als Unsinn im Kopf hatten.
Während Danny auf ihn zukam, streichelte J.T. das Fell von Warren Hawkins‘ brauner Stute. Der Sohn des Ladenbesitzers ritt dieses Pferd seit seiner Schulzeit. J.T. erinnerte sich, dass Cordelia immer eine Möhre oder einen Apfel für das arme Tier dabeigehabt hatte. Schon damals war es alt gewesen.
J.T. biss die Zähne aufeinander. Das Tier hatte es verdient, dass es endlich sein Gnadenbrot bekam. Doch er wusste, dass das niemals geschehen würde. Ein Pferd zu besitzen, auch wenn es nur ein altes, abgehalftertes war, erhob Warren über die ärmeren Menschen, die zu Fuß zur Kirche gehen mussten. Cordelia entschuldigte sein Verhalten damit, dass er wegen seines entstellten Gesichts von anderen nie akzeptiert worden war. Aber J.T. fand es unmöglich, einen Mann in Schutz zu nehmen, der seine Tiere nicht mit dem gebührenden Respekt behandelte.
„Was ist los mit dir?“
J.T. sah nach unten und blickte in Dannys große Augen, die ihn anstarrten. Mit einem Räuspern entschied J.T., seine Gedanken am Tag des Herrn in eine angemessenere Richtung zu lenken.
„Ich habe nur nachgedacht.“ J.T. tätschelte Dannys Kopf, doch plötzlich zog er ihn an sich und umarmte ihn. Danny grunzte überrascht, sodass J.T. ihn etwas verlegen wieder losließ.
Der Junge warf ihm einen finsteren Blick zu, der eine gute Imitation seiner eigenen finsteren Blicke war und J.T.s Stimmung besserte sich.
„Warum hast du das gemacht?“, jammerte Danny. „Ma wird böse, wenn ich mit zerzausten Haaren in die Kirche komme.“
„Das können wir auf keinen Fall zulassen, oder?“ J.T. strich die Haare des Jungen schnell wieder glatt. „So, Partner, jetzt ist alles wieder in Ordnung.“
„Danke“, murmelte er.
Das Geräusch von klirrendem Zaumzeug ließ J.T.s Kopf herumfahren. Alle aus der Stadt, die nicht zu Fuß kamen, waren schon in der Kirche. Die einzige Person, die er noch nicht gesehen hatte, war Miss Richards, doch er wusste, dass sie keinen Wagen besaß. Außerdem ging die Frau jeden Morgen bis zum Fluss und wieder zurück, deshalb hatte sie es sowieso nicht nötig, zur Kirche gefahren zu werden. Nicht, dass er sich damit beschäftigen würde, was sie den ganzen Tag über tat. Jeder, der morgens früh wach war, hätte ihre Wanderungen bemerken können.
„Ich frage mich, wo Miss Richards ist“, dachte er laut. Er hatte erwartet, dass sie schon früher kommen würde. Der Gottesdienst würde bald beginnen.
„Das ist bestimmt sie in dem Wagen.“ Danny zeigte die Straße entlang. „Heute Morgen habe ich ihn vor ihrem Haus stehen sehen, wo sie so ein geschniegelter alter Kerl abgeholt hat.“
Eifersucht durchflutete J.T. und raubte ihm fast den Atem. Mit zusammengekniffenen Augen ging er den Geräuschen entgegen und versuchte, den Mann zu erkennen, der neben Miss Richards in dem alten Kohlewagen saß. Miss Richards war weniger als eine Woche in der Stadt. Wann hatte sie die Zeit gehabt, einen Verehrer zu finden? Die Tatsache, dass der Fahrer schneeweißes Haar hatte, machte die Sache nicht einfacher. Viele Frauen entschieden sich für ältere, gut situierte Männer. Seine Mutter hatte das schließlich auch getan. Älter bedeutete mehr Sicherheit und Reichtum. Hübsche Frauen, elegante Frauen mochten
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