Eine Lady nach Maß
das. Doch irgendwie konnte er sich nicht vorstellen, dass die starrköpfige Miss Richards sich einem Mann unterordnen würde, den sie nicht respektierte. Doch wenn der Mann ihr das Leben bieten konnte, das sie sich wünschte, ohne dass sie selbst sechs Tage in der Woche hart arbeiten musste …
Ein Stich fuhr durch seine Schläfen. J.T. zwang sich dazu, die Zähne nicht länger zusammenzubeißen, aber seine Anspannung ließ sich nicht abschütteln. Sie breitete sich von seinem Kopf bis in seinen Nacken und die Schultern aus.
„Ma ruft mich. Ich muss gehen, J.T.“
„Was? Ach ja. Mach das, Junge. Ich komme in einer Minute nach.“ Er sah Danny kurz nach. „Ich muss mich nur noch um den letzten Wagen kümmern“, murmelte er. Genau wie um seine Neugier.
J.T. versuchte weiter, sich zu entspannen. Seine Zunge würde ihn sicher wieder in Schwierigkeiten bringen, wenn er sie nicht im Zaum hielt. Das machte sie immer, wenn die hübsche Schneiderin in der Nähe war. Wahrscheinlich hatte ihm der Herr deshalb die Aufgabe anvertraut, sich um die Pferde zu kümmern.
Miss Richards zeigte ein Lächeln, das selbst den wunderschönen Sommertag überstrahlte, und tätschelte dem Mann neben sich vertraut den Arm. Zu vertraut. Der Alte kletterte aus dem Wagen, um ihr beim Aussteigen zu helfen, und Miss Richards verschwand in der Kirche. Dann machte sich der Mann auf den Weg zum Parkplatz. Der Kerl grinste breit, als er J.T. sah.
J.T. erwartete ihn mit verschränkten Armen.
Als der Wagen näher kam, verlor er etwas von seinem Glanz. Er war mit Sicherheit nicht geeignet, um eine Frau zu beeindrucken. Der Mann hatte zwar offenbar versucht, ihn zu putzen, aber in den Ritzen sah man noch die Ablagerungen von Kohlenstaub.
„Brr, Jackson.“
Das Maultier, das den Wagen zog, kam langsam zum Stehen, sodass J.T. nach den Zügeln greifen konnte. Etwas an dem Tier kam ihm bekannt vor, aber er war mehr damit beschäftigt, den Mann zu mustern.
„Wunderschöner Tag, was?“ Der Alte machte keine Anstalten, mit diesem aufdringlichen Grinsen aufzuhören. „Ein guter Tag, um eine neue Seite aufzuschlagen. Ja, Miss Hannah und ich wollen ein bisschen für Aufruhr sorgen heute Morgen.“
Hannah? Ihr Vorname kam dem Kerl wie selbstverständlich über die Lippen. Und was meinte er mit dem Aufruhr? Wieder biss J.T. die Zähne zusammen.
„Am besten bleibst du nicht zu lange hier draußen. Sonst verpasst du den ganzen Spaß.“
Der Mann zwinkerte ihm zu. Er zwinkerte!
Aber dann bemerkte J.T. etwas in seiner Stimme. Er schob seinen Hut zurück, um den Neuankömmling noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Sein weißes Haar hing ihm bis über die Schulter und wurde von einem Filzhut bedeckt. Ein dichter, getrimmter Kinnbart zierte sein Gesicht und passte zu dem Schnauzer über seiner Lippe. Das weiße Hemd war neu und von guter Qualität. Darüber trug er eine Jacke, die ihm vor zehn Jahren sicher gut gepasst hatte. Seine Hosen hatten ein paar Falten. J.T. stellte sich vor, wie er sie kurz vor seiner Abfahrt aus einem vergessenen Schrank gezogen hatte. Der Alte roch nach Seife und Kampfer und ein klein wenig nach Maultier. Wie auch immer, dieser Mann durfte einer Frau wie Miss Richards nicht den Hof machen. Er war alt genug, um ihr Großvater zu sein.
Der Großvater klopfte ihm auf den Rücken und lachte schallend. „Komm schon, Tucker. Ich hätte eher erwartet, dass Miss Hannah mich nicht erkennt, weil sie mich ja nicht kannte, als Alice noch gelebt hat. Aber du?“
Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. „Ezra?“, krächzte er.
„Jawoll.“
Wie hatte er so dumm sein können? Natürlich war es Ezra. Nur weil er diesen Mann seit einer Ewigkeit nicht mehr so ordentlich gesehen hatte, hätte er ihn trotzdem erkennen müssen.
„Es ist … schön … dich zu sehen. Wir haben dich im Gottesdienst vermisst.“
Das Grinsen des Mannes verschwand. „Alice hat immer großen Wert auf die Kirche gelegt und ich weiß, dass sie enttäuscht wäre, wenn sie wüsste, dass ich so lange nicht hier gewesen bin. Aber ich konnte es einfach nicht aushalten, ohne sie dort zu sein. Als Miss Hannah mir das neue Hemd gemacht hat und mich gefragt hat, ob ich sie begleite, habe ich mir gedacht, dass Gott mir sagen will, dass ich zurückkommen soll.“
Ezra streckte seine Brust und fuhr vorsichtig mit den Händen über die schönen, aber nicht zu auffälligen Stickereien an seinem Kragen. Dann beugte er sich zu J.T.s Ohr.
„Weißt du, das
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