Eine Lady nach Maß
sie. „Sieh mich an!“
Blaue Augen blinzelten durch kaum geöffnete Lider hindurch.
„So ist es richtig. Hannah, du schaffst das. Sieh mich an.“
Sie zwinkerte. „J-jericho?“
In diesem Moment entschied er, dass er den Klang seines Vornamens doch mochte. „Ich bin hier, Hannah.“ Er küsste sie auf die Stirn. „Du bist in Sicherheit.“
„Mir ist kalt. Du musst mich wärmen.“ Ihre Lider sanken wieder herab.
J.T. sah sich hilfesuchend um. Hannah brauchte ein heißes Bad, trockene Kleidung und einen Arzt, bevor sie sich eine Lungenentzündung holte. Hatte Cordelia ihm nicht erzählt, dass Hannah als Kind eine schwache Lunge hatte? Er musste alles tun, um einen Rückfall zu vermeiden.
Er wrang so viel Wasser wie möglich aus ihren Röcken, dann wickelte er seine Jacke um sie. Er bezweifelte, dass sie das genügend wärmte, aber es war alles, was er ihr im Moment bieten konnte. Dann hob er sie auf seine Arme und machte sich vorsichtig auf den matschigen Rückweg.
Als er endlich wieder bei seinem Pferd angekommen war, hatte es aufgehört zu regnen. J.T. legte seine wertvolle Last vorsichtig auf dem Boden ab und atmete tief durch. Er kniete hinter Hannah, sodass sie sich gegen ihn lehnen konnte. Um sie warm zu halten, umschlang er sie mit seinen Armen. Sein Daumen streichelte zärtlich ihre Wange.
„Du wirst nicht mögen, was ich jetzt gleich tun muss, Liebling, aber ich kann es nicht ändern.“ J.T. zog ein Ästchen aus ihrem Haar. „Ich hoffe, du kannst dich später nicht daran erinnern. Und falls doch, verspreche ich dir, dass du mir so viele Vorwürfe machen darfst, wie du willst. Und ich werde dabei nicht mal böse gucken. Ist das in Ordnung?“
So sanft wie möglich nahm er sie wieder in die Arme und stand auf. Dann, mit einer weiteren geflüsterten Entschuldigung, warf er sie über den Sattel, stieg hinter ihr auf und ritt in Richtung Stadt.
Kapitel 23
„ D elia! Mach auf!“
J.T. trat kräftig gegen die Haustür, weil er in seinen Armen die immer noch bewusstlose Hannah trug. Wahrscheinlich war es gut so, dass sie auf dem halsbrecherischen Ritt in die Stadt noch nicht aufgewacht war, aber ihre lange Bewusstlosigkeit beunruhigte ihn.
Delia riss die Tür auf und J.T. stolperte nach drinnen.
„Was machst du …“ Die Frage erstarb auf ihren Lippen, als sie erschrocken nach Luft schnappte. „Hannah?“
J.T. blieb nicht stehen, um ihr etwas zu erklären. Er eilte, so schnell er konnte, in sein Schlafzimmer und legte Hannah vorsichtig auf seinem Bett ab. Delia rannte hinter ihm her.
„Was ist passiert, J.T.? Wo hast du sie gefunden? Lebt sie?“
„Ja“, antwortete er kurz. „Sie lebt. Ich erzähl dir alles später, aber jetzt müssen wir sie erst mal in trockene Kleider stecken und aufwärmen.“ Er öffnete die Truhe am Fuße seines Bettes und zog jede Decke hervor, die er besaß. „Hol eines deiner Nachthemden und koche heißen Tee, falls sie aufwacht und etwas trinken möchte. Ich hole den Arzt. Während ich weg bin, ziehst du ihr die nassen Sachen aus. Alle. Alles klar?“ Er wartete auf Delias Nicken. „Gut. Lass sie hier in meinem Bett. Wenn sie über Nacht bleiben muss, kann ich auch im Stall schlafen.“
Delia rannte nach draußen, um Handtücher zu holen. Einen Moment lang betrachtete J.T. die bewusstlose Hannah. In seinem Bett. Eingewickelt in seine Jacke, ihr wirres Haar voller Schmutz, ihre Haut mit Matsch verschmiert, hatte sie niemals schöner ausgesehen. Sein Herz schmerzte vor Liebe.
Er kniete sich neben das Bett und ergriff ihre Hand. „Du wirst nicht krank werden, Hannah. Hörst du mich?“ Er brachte die Worte kaum heraus. Dann, bevor seine Schwester zurückkam, presste er einen Kuss auf ihre Finger und legte ihre Hand behutsam wieder zurück.
Delia kam ihm mit einem dampfenden Wasserkessel und einem Stapel Handtücher auf dem Flur entgegen. Der Schock, der in den ersten Minuten nach seiner Rückkehr in ihren Augen gestanden hatte, war einem energischen Funkeln gewichen. J.T. war beruhigt. Hannah war in guten Händen.
„Kümmer dich gut um sie, Schwesterherz.“
„Natürlich, J.T. Jetzt hol endlich den Arzt.“
Nach einem letzten Blick auf die wunderbare Frau in seinem Bett eilte er wieder hinaus.
* * *
Nur langsam wachte Hannah auf. Erinnerungsfetzen an Geräusche und Berührungen schwebten durch den Nebel in ihrem Kopf. Delias liebevolle Hände, als sie Hannahs Haare gekämmt hatte. Die Stimme eines unbekannten Mannes, der ihre Rippen abtastete.
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