Eine Lady nach Maß
oder später bemerken würde.“ Hannah klatschte fröhlich in die Hände. „Ich kann es kaum erwarten, euch beide nächsten Samstag bei dem Picknick zusammen zu sehen.“
„Der Gedanke, uns zusammen zu sehen, war wahrscheinlich der Grund, warum Warren so außer sich war.“
Hannah schnitt das Ende des Fadens ab und schüttelte den Rock des Kleides aus. „Ich vermute, Warren ist in dich verliebt.“
Ihre Freundin seufzte erschöpft. „Ich wollte das bisher nicht wahrhaben, aber nach heute kann ich es nicht länger leugnen. Warren hat mir einen Heiratsantrag gemacht. Einfach so auf offener Straße.“
Vor Schreck verschluckte sich Hannah und hustete krampfhaft. Cordelia eilte zu ihr und klopfte ihr auf den Rücken. Als Hannah wieder Luft bekam, sah sie ihre Freundin fassungslos an. „Er hat dir einen Antrag gemacht?“
„Hannah, das war das Schrecklichste, was mir je passiert ist! Er hat Ike beschimpft und behauptet, dass er mich nur wegen meines Aussehens mag. Weil ich mich verändert habe. Er hat gesagt, dass Ike sich nicht wirklich um mich kümmert – nicht so wie er – und wenn ein Mann mich nicht schon geliebt hätte, als ich noch eine graue Maus war, wäre er es nicht wert, mich zu haben.“
„Er hat dich eine graue Maus genannt?“ Glaubte Warren ernsthaft, Cordelia würde seinen Antrag annehmen, wenn er sie „graue Maus“ nannte?
Cordelia nickte und begann, unruhig um den Tisch herumzugehen. „Ich wusste beim besten Willen nicht, was ich sagen sollte, also habe ich ihn gefragt, warum er mir das nicht schon vorher gesagt hat.“
„Was hat er geantwortet?“
„Er meinte, er habe sich erst im Geschäft seines Vaters etablieren wollen, um mir eine sichere Zukunft bieten zu können. Aber er arbeitet doch schon seit Jahren da und hat nie ein Wort zu mir gesagt.“
„Hättest du denn den Antrag angenommen, wenn er früher etwas gesagt hätte?“
Cordelia blieb stehen. „Nein. Das glaube ich nicht. Ach, ich weiß nicht.“ Sie verschränkte die Arme. „Ich hatte nie irgendwelche romantischen Gefühle für Warren, aber wenn niemand anders sich um mich gekümmert hätte, hätte ich vielleicht darüber nachgedacht.“
„Dann bin ich froh, dass er es dir nie gesagt hat.“ Hannah legte das Kleid beiseite und stand auf. „Du und Warren wärt nicht glücklich geworden.“
„Ich weiß.“ Cordelias Atem zitterte, als sie versuchte, ihre Gefühle zu kontrollieren. „Wir waren in der Schule befreundet. Zwei Außenseiter, die im anderen einen Kameraden gefunden haben – er mit seinem Feuermal und ich die graue Maus, deren Mutter eine große Schande begangen hatte. Wir waren ein seltsames Paar. Aber einander zu haben, hat die Einsamkeit gemindert. Wann immer er schlecht gelaunt wurde, habe ich ihm lustige Geschichten erzählt, bis er wieder gelächelt hat. Er brachte mir Pfefferminzbonbons und Lutscher aus dem Laden seines Vaters mit. Er ist ein freundlicher Mensch. Aber das kann er ziemlich gut verstecken.“
Mit schlechtem Gewissen verkniff sich Hannah die Kommentare, die sie noch über Warren hatte sagen wollen. Obwohl er mürrisch und unsensibel war, verdiente er auch ihr Mitleid. Es war mit Sicherheit nicht einfach gewesen, mit einem entstellenden Mal im Gesicht aufzuwachsen. Aber das war kein Grund, warum Cordelia ihre Zukunft aufgeben sollte, indem sie sich an diesen verbitterten Mann band.
„Hast du ihm eine Antwort gegeben?“
„Ich hab es versucht, aber er muss gemerkt haben, dass ich ihn ablehnen wollte, denn er hat mich unterbrochen und gesagt, er würde heute nach dem Abendessen vorbeikommen.“
Um sie ein wenig abzulenken, zog Hannah ihre Freundin in den kleinen Umkleideraum und half ihr, das neue Kleid anzuziehen. An der Hüfte musste sie sogar noch ein wenig Stoff wegnehmen.
„Du solltest es Jericho sagen.“
Cordelia sah zu Boden. „Ich weiß. Ich habe nur Angst, dass er Warren von der Veranda schmeißt.“
Hannah musste sich ein Lachen verkneifen, als sie daran dachte, wie sie ihn im Kirchhof wegen Ike hatte zurückhalten müssen. „Ja, das könnte sein. Aber als dein Bruder sollte er von dem Antrag wissen. Er wird dich unterstützen, wenn Warren deine Antwort nicht akzeptieren sollte.“
„Du hast recht. Ich sage es ihm.“ Cordelia seufzte und lächelte ein wenig. „Ich wünschte nur, ich hätte auch eine Schwester, der ich danach mein Herz ausschütten kann. So wie bei dir.“
Hannah steckte den Stoff um Cordelias Hüfte vorsichtig mit Nadeln fest. Hatte
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