Eine Lady nach Maß
Cordelia ihre Gefühle Jericho gegenüber bemerkt? Und wenn ja, was dachte sie darüber? Hannah konzentrierte sich angestrengt auf das Kleid. „Du kannst jederzeit mit mir reden. Das weißt du.“
„Heute Abend?“, fragte Cordelia erleichtert. „Komm zum Abendessen, dann würde es mir viel besser gehen. Und irgendetwas sagt mir, dass J.T. auch nicht abgeneigt wäre.“
Sie weiß es.
Hannah richtete sich auf. „Cordelia, ich –“
Bevor sie weiterstammeln konnte, umarmte Cordelia sie liebevoll. „Du hast ja gar keine Ahnung, wie froh ich sein werde, wenn du erst meine Schwester bist. J.T. gibt sich immer ein bisschen barsch, aber sein Herz ist ehrlich und treu wie Gold. Er wird gut zu dir sein.“
Hannah schreckte zurück. „Sind meine Gefühle für ihn so offensichtlich?“
„Nur für mich. Seit dem Tag, als ihr zusammen mit diesen Ringen geübt habt, habe ich schon etwas geahnt. Und als J.T. sich nach deiner Rettung aus dem Fluss so um dich gekümmert hat, war es mir endgültig klar.“ Cordelia stieg aus dem Kleid und reichte es Hannah. „Er hat es vielleicht selber noch nicht ganz begriffen, aber ich weiß, dass ihr beide zusammengehört.“
Hannahs Magen zog sich zusammen. Alles in ihr wollte hoffen und glauben, dass Cordelia recht hatte. Unwillkürlich verzogen sich ihre Lippen zu einem Lächeln, als sie Cordelias Schulter tätschelte. „Es wäre mir eine Ehre, heute mit dir und deinem Bruder zu Abend zu essen.“
* * *
J.T. knurrte, als es an der Haustür klopfte. Delia hatte ihm gesagt, dass Warren vorbeikommen würde, und J.T. war darüber alles andere als erfreut. Er mochte und respektierte den Vater des Jungen, aber Warren selbst war so egoistisch und mit sich selbst beschäftigt, dass J.T. ihn äußerst unsympathisch fand. J.T. hatte kein Problem mit seinem entstellten Gesicht oder seinem Beruf. Er ging sogar davon aus, dass Warren als Verkäufer sehr gut eine Frau und Kinder ernähren konnte. Aber der Kerl trieb jeden Sonntag sein armes Pferd den Hügel zur Kirche hinauf, obwohl es seit Jahren sein Gnadenbrot verdient hatte und Warren auch zu Fuß gehen könnte. Wenn er so eigennützig war, wenn es um ein Pferd ging, wer sagte dann, dass er seine Frau besser behandeln würde?
Selbst wenn Delia Warrens Antrag angenommen hätte, hätte er Warren nur ihretwegen akzeptiert. Doch er war mehr als froh, dass seine Schwester bei allen Gefühlsverwirrung genug gesunden Menschenverstand bewies. Ike war eindeutig die bessere Wahl.
„G-guten Abend, Mr Tucker.“ Warren sah ihm nicht in die Augen. Das lag größtenteils daran, dass ihm das lange Haar ins Gesicht hing. Doch J.T. hätte Warren eher akzeptieren können, wenn er aufrecht gestanden und ein bisschen Selbstachtung gezeigt hätte. Was bedeutete schon das Mal auf seinem Gesicht? Wenn er die Menschen nicht immer und immer wieder daran erinnert hätte, hätte man sich schon längst daran gewöhnt.
J.T. musste sich zusammenreißen, dass er den Jungen nicht packte und ordentlich durchschüttelte. Stattdessen verschränkte er die Arme und starrte den Besucher an. „Warren.“
„Ist Cordelia zu Hause? Ich glaube, sie erwartet mich.“ Er warf mit einer Kopfbewegung sein Haar zurück, doch es fiel sofort wieder in sein Gesicht.
„Sie wird gleich da sein“, sagte J.T. „Wollt ihr auf der Veranda bleiben?“
„Ja, Sir.“
„Gut. Ich habe ein Auge auf dich.“
Warren nestelte an seinem Kragen, als hätte ihm jemand Juckpulver in den Anzug geschüttet.
„Hör auf, ihn einzuschüchtern, J.T.“, sagte Delia hinter ihrem Bruder. „Warren weiß, wie sich ein Gentleman benimmt.“
J.T. trat einen Schritt zur Seite, um seine Schwester vorbeizulassen, starrte den jungen Mann dabei aber weiter an. Ein beunruhigend aufmüpfiger Ausdruck trat bei Delias Worten auf Warrens Gesicht, als wollte er J.T. herausfordern, seiner Schwester zu widersprechen. J.T. ging warnend einen Schritt auf den Kerl zu. Sofort trat Furcht anstelle der Frechheit auf sein Gesicht. Zufrieden ging J.T. ins Haus und schloss die Tür hinter sich.
Er ging zur Küche und blieb in der Tür stehen. Hannah hatte eine Spülschüssel vor sich, beugte sich jedoch so weit zum Fenster vor, dass ihre Nase fast die Scheibe berührte.
„Ich sehe, ich bin nicht der Einzige, den interessiert, was da draußen vor sich geht.“
Sie sprang erschrocken zurück und ließ einen Teller in die Spülschüssel fallen, sodass ihr das Wasser ins Gesicht spritzte. „Oh!“ Sie blinzelte die
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