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Eine Lady verschwindet

Eine Lady verschwindet

Titel: Eine Lady verschwindet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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ihm loszukommen, war ich
nur noch ein Bündel von Fragmenten, das durch einen dünnen Faden
zusammengehalten wurde. Anna war damals zufällig in London, und sie schlug vor,
ich solle Urlaub machen und mit ihr nach Italien fahren. Nachdem ich zwei
Monate mit ihr zusammen gewesen war, bot sie mir einen Job als ihre
Privatsekretärin an. Ich wußte, daß es nur aus Menschenfreundlichkeit geschah;
aber ich hatte nicht den Mut, abzulehnen.« Sie lächelte verkrampft. »Eine Hand
wäscht die andere, werden Sie vielleicht sagen.«
    »Warum hat Anna so plötzlich
ihre Absicht geändert, auf den Handel einzugehen?«
    »Ich weiß es ehrlich nicht.« In
ihre dunklen Augen trat ein nachdenklicher Ausdruck. »Ich war überzeugt, daß sie
durchhalten würde — bis zu dem Zeitpunkt, da wir im Motel eintrafen. Sie
schickte mich am ersten Abend gleich weg ins Kino; sie sagte, sie wolle allein
bleiben, weil sie ein paar wichtige Anrufe zu machen habe. Als ich
zurückkehrte, teilte sie mir mit, sie habe ihre Absicht geändert und wolle die
Abmachung nicht einhalten. Sie hatte bereits ein anderes Zimmer in einem Hotel
für mich bestellt und wollte, daß ich sofort dorthin führe. Sobald sie
entflohen und sicher sei, wollte sie mich anrufen und mir Bescheid sagen. Sie
gab mir keinerlei Erklärungen für ihr Verhalten ab und ließ auch nicht zu, daß
ich Fragen stellte. Innerhalb von Minuten war ich im Motelzimmer und wieder draußen. Sie hatte sogar meine Koffer für mich gepackt.«
    »Sind Sie ganz sicher, daß es
wirklich ihre Stimme am Telefon war, als sie Ihnen sagte, sie sei in der
Hütte?«
    »Im Augenblick bin ich mir
überhaupt keiner Sache mehr sicher.«
    »Ich kenne solche
Empfindungen«, gestand ich. »Was hat Sie bewogen, mich aufzusuchen?«
    Darüber dachte sie eine Spur zu
lange nach. »Neugier vielleicht. Nach dem, was geschehen ist, hätte ich mir das
gründlicher überlegen sollen, Mr. Holman .«
    »Wie wär’s jetzt mit Rick?«
    »Warum nicht?« Sie lächelte
bedächtig. »Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß ich mich je mit diesem
unmöglichen Mr. O’Neil befreunden werde.«
    »Ich habe den starken Eindruck,
daß wir nie gute Freunde sein werden, Daphne«, sagte ich. »Aber das sollte uns
nicht hindern, hin und wieder miteinander ins Bett zu gehen.«
    Ihre dunklen Augen starrten ein
paar Sekunden lang düster in die meinen. »Es ist möglich«, sagte sie
schließlich.
    Die mit Leder bezogene Tür
öffnete sich plötzlich, und O’Neil stand auf der
Schwelle. »Mr. Barnaby möchte Sie jetzt sprechen«, sagte er in gedämpftem Ton.
    Wir gingen an ihm vorbei in
einen riesigen achteckigen Raum, und der Rundblick durch sieben der Glaswände
um mich herum verursachte bei mir ein flüchtiges Schwindelgefühl. Der Mann,
der, den Rücken uns zugewandt, durch eine der Wände starrte, drehte sich
langsam um — ein dünner Bursche, mittelgroß, sein Gesicht und der glattrasierte
Kopf waren von tiefem Mahagonibraun. Er war schätzungsweise um Fünfzig herum,
und die verschleierten grauen Augen paßten sehr gut
zu einem Besitz, der Eagle’s Rock hieß.
    »Miss Woodrow und Mr. Holman «, sagte O’Neil in
derselben gedämpften Stimme.
    Die verschleierten Augen
betrachteten uns schweigend, während er die Hände auf den Rücken legte und sich
auf den Fußballen vor- und zurückwiegte.
    »Anscheinend haben wir alle
dasselbe Problem«, sagte er plötzlich mit einer angenehmen und ziemlich hohen
Stimme. »Wohin ist Anna Flamini verschwunden?«
    »Mein Problem ist es nicht«,
sagte Daphne kalt. »Mir ist es angenehm, daß sie im Augenblick verschwunden
bleibt.«
    Er lächelte sie vage an. »Haben
Sie je die Möglichkeit in Betracht gezogen, daß sie in schlimmere Hände als die
meinen gefallen sein könnte, Miss Woodrow?« Dann, ohne ihre Antwort abzuwarten,
fuhr er fort: » O’Neil hat mir eben von Ihrer Theorie
eines dritten Interessenten berichtet, der etwas mit ihrem Verschwinden zu tun
haben könnte, Mr. Holman . Denken Sie da an einen
Bestimmten?«
    »Nein«, sagte ich ehrlich. »Und
meiner Ansicht nach sind entweder Sie oder Vince Manatti viel eher in der Lage, auf jemanden zu tippen.«
    »Ich nicht«, sagte er. »Also
schlage ich vor, daß Sie Manatti fragen.«
    »Sicher«, sagte ich, »werde ich
das tun.«
    »Auf Wiedersehen, Mr. Holman .« Er wandte uns den Rücken zu und starrte erneut
durch die Glaswand.
    »Auf Wiedersehen, Mr. Barnaby«,
sagte ich.
    »Wo bleiben Ihre Manieren, Mr.
Barnaby?« sagte Daphne in scharfem

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