Eine Lady von zweifelhaftem Ruf
bis er mir eine kurze Audienz gewährt. Mehr als fünf Minuten brauche ich nicht. Wenn er mich dieses eine Mal empfängt, werde ich bis zu meinem Lebensende nicht mehr hier auftauchen. Doch wenn nicht, werde ich mich keinen Zentimeter von hier wegbewegen.«
Als die Dämmerung einsetzte, dachte Celia, dass sie ihren Vater nicht besonders mochte. Welche kindische Hoffnung sie auch auf diese Reise gebracht hatte, sie war inzwischen durch die Kälte, die ihr in die Knochen drang, vertrieben worden.
Als ob es sich der Himmel selbst zur Aufgabe gemacht hätte, sie für ihre Anmaßung zu bestrafen, begann es nun auch noch zu regnen. Sie öffnete ihren Sonnenschirm, damit das Wasser, das vom Säulenvorbau tropfte, sie nicht durchnäste.
Die Stallburschen suchten sich Schutz vor dem Regen. Und sie hockte allein und entmutigt auf den Stufen. Was hatte Jonathan ihr über die Nacht erzählt, in der seine Mutter das Gleiche getan hatte? Sie hatten tagelang vor der Tür gesessen, hatte er gesagt. Celia hatte eigentlich nicht erwartet, dass ihr Vater sie ebenfalls dazu zwingen würde.
Weiter hinten auf der Zufahrt bewegten sich auf einmal die Schatten der zunehmenden Dunkelheit. Sie kniff die Augen zusammen, um zu sehen, ob es sich um ein Wildtier handelte. Das wäre zumindest eine vorübergehende Ablenkung.
Stattdessen kam ein Pferd in Sicht. Ein großes, weißes mit einem Reiter darauf. Er kam näher und sie erkannte, um wen es sich handelte. Fast wäre sie in Tränen ausgebrochen, vor Erleichterung und Kälte und ihrem noch immer gebrochenen Herzen.
Jonathan lenkte sein Pferd zielstrebig zum Säulenvorbau und blickte auf sie herab. Ihm schienen Kälte und Feuchtigkeit nichts auszumachen oder die Tropfen, die seinen Hut und Mantel herunterrannen. Sie musste zugeben, dass er großartig aussah. Die Naturelemente waren einem solchen Mann vollkommen gleichgültig.
»Wie lange sitzt du schon hier, Celia? Den ganzen Tag?«
»Ich bin kurz nach Mittag hier angekommen.«
Er stieg ab. »Gott sei Dank. Ich habe schon befürchtet, du hättest schon gestern damit angefangen.«
»Ich habe mir ein Zimmer in einem Gasthaus genommen, damit ich heute frisch beginnen kann. Wie hast du mich gefunden? Hast du erraten, welcher von ihnen mein Vater ist?«
»Ich bin zu Lady Sebastian gegangen, die mir gesagt hat, dass du Mrs Joyes besuchen wolltest. Als ich bei The Rarest Blooms eintraf, wurde mir mitgeteilt, dass du hier bist.«
»Wenn Daphne es dir erzählt hat, muss sie sich wohl Sorgen gemacht haben.«
»Sie schien darüber erleichtert, dass ich dir folgen wollte.« Er stellte einen Stiefel neben ihr auf die Stufe und beugte sich zu ihr vor. »Er wird dich nicht empfangen, Celia. Nicht heute und nicht morgen und auch nicht den Tag danach. Komm jetzt mit mir.«
Sie schüttelte den Kopf. »Wenn ich jetzt gehe, wird gar nichts passieren. Aber wenn ich bleibe, wird er nachgeben müssen, genau wie Thornridge bei deiner Mutter. Wenn er auch nur einen Hauch Ehrgefühl in sich hat, wird er spätestens morgen …« Ihre Stimme zitterte. Sie biss die Zähne zusammen, um die Fassung zu bewahren.
Es wurde nun schnell dunkel. Jonathan reichte ihr sein Taschentuch, dann öffnete er seinen Mantel. »Steh auf.«
Unsicher und mit Wadenkrämpfen kam sie auf die Beine. »Du hast dir die Haare geschnitten. Es gefällt mir.«
»Wenn es dir gefällt, wird es mir vielleicht irgendwann auch gefallen.« Er legte ihr seinen Mantel aus grauer Wolle über ihren eigenen um die Schultern. Dann packte er sie richtig ein und holte etwas aus der Ledertasche an seinem Sattel. Er kehrte mit einem Blatt Papier und einem Stift zurück und setzte sich neben sie.
Er drehte sich, um die Stufe als Unterlage zu benutzen, und schrieb etwas auf. Dann faltete er das Blatt und ging zur Tür.
Ein Diener öffnete.
»Bitte geben Sie das dem Marquess. Sagen Sie ihm, dass es von einem Agenten des Innenministeriums ist.«
Er kehrte zurück und setzte sich wieder neben sie.
»Was hast du geschrieben?«, fragte sie.
»Ich habe ihm geschrieben, dass du im Besitz von Beweisen bist, dass er während des Krieges regelmäßige Zahlungen an Alessandra Northrope geleistet hat. Und wenn sie nicht für den von dir gedachten Zweck waren, würde ich annehmen, dass es sich um etwas anderes handelt, das ich meinen Vorgesetzten melden müsste.«
»Vielleicht hat er ja noch nie von den Gerüchten über meine Mutter gehört. Dann wird dein Brief für ihn gar keinen Sinn ergeben.«
»Ich nehme
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