Eine Lady von zweifelhaftem Ruf
wusste es.
Am nächsten Morgen brachte sie Celia das Frühstück ans Bett, was sie niemals zuvor getan hatte. Mit unbewegter Miene stellte sie das Tablett auf dem Tisch ab, warf einen Blick auf Celias nackte Schultern, die aus der Bettdecke herauslugten, und musterte dann die Satinkleider, die am Abend zuvor vom Bett geworfen worden waren.
»Die hübschen Dinger«, sagte sie, während sie sich vorbeugte, um ein paar aufzuheben. »Zu schade, um am Boden zu liegen.«
»Ich habe sie nach Beschädigungen untersucht, als … als …«
»Als du ein wenig abgelenkt wurdest?«
»Ja. So was in der Art.«
»Wirklich seltsam. Es muss etwas in der Luft liegen. Mr Albrighton wirkte heute Morgen ebenfalls sehr abgelenkt.« Ein verschmitztes Lächeln spielte um ihre Lippen, während sie die Kleider zusammenlegte.
»Wie seltsam.«
»Wo wir gerade von Ablenkungen sprechen, Mr Albrighton ist in der Küche und badet. Als Nächstes erhitzen wir das Wasser für dich.« Sie legte das achtlos zu Boden geworfene Nachtgewand ans Fußende.
Celia war froh, dass sie gegenüber Marian nicht so tun musste, als sei nichts gewesen. Als das Bad fertig war, ging sie hinunter. Das Haus wirkte anders an diesem Morgen. Irgendwie hatte sich nicht nur das Licht verändert, sondern auch die Art, wie sich ihr Körper durch die Räume bewegte. Aber natürlich war ihr klar, dass es nicht das Haus war, das sich verändert hatte, sondern sie selbst.
Während sie die Treppe zur Küche hinunterstieg, packte sie jemand und drückte sie gegen die Wand des Treppenhauses. Es war Jonathan, der sich kurz umsah und lauschte. Dann küsste er sie auf eine Weise, die zeigte, dass die letzte Nacht nichts dazu beigetragen hatte, sein Verlangen nach ihr abzuschwächen.
»Du siehst wunderschön aus«, murmelte er zwischen den Küssen. »Mir gefällt dieser Morgenmantel.«
»Der ist wohl kaum besonders hübsch«, antwortete sie lachend.
Er betrachtete sie. »Ich will verdammt sein. Du hast recht. Ziehen wir ihn dir schnell wieder aus. Nein, warte, nicht hier. Marian und Bella sind direkt um die Ecke. Ist es falsch von mir, dass ich mir wünsche, sie würden woanders leben?«
»Ich denke, man kann es dir wohl dieses eine Mal nachsehen.« Sie erwiderte seine Küsse etwas gemäßigter, aber dennoch ausgedehnt. »Und nun muss ich mein Bad nehmen. Du hattest deines ja bereits.«
»Ich komme mit und helfe.«
»Das wirst du nicht. Du wirst dich deinen Angelegenheiten widmen, so wie ich mich den meinen.«
»Ich werde vollkommen nutzlos sein. Schick sie fort, komm zu mir nach oben, und wir verbringen den Rest des Tages im Bett.«
Sie gab ihm einen spielerischen Klaps. »Am frühen Nachmittag kommt eine neue Ladung aus Cumberworth. Willst du, dass uns Daphne im Bett überrascht? Sie besitzt eine Pistole.«
Er küsste sie erneut, trat dann widerwillig zurück und gab sie frei. »Dann ab mit dir zu deinem Bad und deinen Pflichten. Ich werde einen anderen Weg finden, um zu überleben. Vielleicht gelingt es mir, zumindest ein paar Minuten lang nicht an dich denken.«
Sie setzte ihren Weg zur Küche und der Badewanne fort und war froh darüber, dass er sie abgefangen hatte, ihr erneutes Treffen nicht unangenehm gewesen war und er ihr ein paar romantische Dinge gesagt hatte.
Das warme Wasser regte ihre Sinne an und umhüllte sie wie die Erinnerung an die Lust der vergangenen Nacht. Zum ersten Mal in ihrem Leben dankte sie ihrer Mutter für ihre Erziehung, die sie gelehrt hatte, dass eine Frau sinnliches Vergnügen ohne Schuldgefühle empfinden durfte. Natürlich gab es Sünden in der Welt, auch große, aber Sinnlichkeit gehörte nicht dazu.
Die nächsten paar Stunden war sie in eine angenehme Wolke der Glückseligkeit gehüllt. Gedanken an Jonathan und sogar Mama, an letzte Nacht und die kommende, vermischten sich in ihren Gedanken. Auf eine seltsame Art und Weise fühlte sie sich an diesem Tag Alessandra näher als jemals zuvor. Möglicherweise auch ebenbürtiger, da sie nicht länger unwissend war.
Später, während Celia auf die neue Ladung Pflanzen wartete, öffnete sie die Truhe, die Jonathan vom Dachboden heruntergetragen hatte. Die Kleider und anderen Textilien waren schon lange inspiziert und in ihrem Schrank untergebracht worden.
Sie hob die große Mappe im Folioformat an, die immer noch auf dem Boden lag. Sie hatte die obersten Zeichnungen vor ein paar Tagen durchgeblättert, aber nun wollte sie jede einzelne genau studieren und sich vorstellen, wie ihre
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