Eine Leiche zum Nachtisch (German Edition)
hatte, war die Gruppe dabei am Haus angekommen. Das Fauchen des Luchses erklang nur noch aus der Ferne, und die blutige Spur von Lukas Petzold zog sich wie ein ferner, kaum wahrnehmbarer Strich durch das Weiß der Ebene.
Geschafft.
Simon atmete auf. Als alle seine Gäste wohlbehalten das Hotel betraten, fühlte er die Erleichterung in seinem Körper. Und die Müdigkeit, die sich plötzlich seiner bemächtigte. Es war ein anstrengender Tag gewesen. Er war schon früh aufgestanden, um die letzten Vorbereitungen für das Fest zu treffen. Dann die lange Suche nach Lukas, sein Beinahe-Sturz in den Abgrund, die Aufregungen wegen der Toten, die er niemandem erzählen konnte. Und nicht zu vergessen seine lange Tour ohne Schneemobil die Piste hinunter. Das hatte an seinen Kräften gezehrt. Und der Tag war noch lange nicht zu Ende. Am liebsten hätte sich Simon jetzt ganz gemütlich allein vor seinen Kamin gesetzt, ein gutes Buch gelesen und wäre dabei ganz entspannt eingeschlafen. Um Mitternacht wäre er von den Raketen und Böllern von Hubers Hotel wieder wach geworden. Das wäre so schön!
Ein leiser Seufzer schlich sich in Simons Brust, als er daran dachte, was heute noch vor ihm lag. Eine Fackelabfahrt, ein fulminantes Dinner, die Fortsetzung des Mörderspiels und das Korkenknallen um Mitternacht. Nicht zu vergessen, dass er dabei seine Gäste vor Huber beschützen musste. Wenn er Pech hatte, wollten sie bis weit in die Morgenstunden feiern und hielten ihn ewig wach. Aber selbst das lag noch weit entfernt. Jetzt stand erst einmal die Fackelabfahrt auf dem Programm, und so wie Simon sich momentan fühlte, mit den schweren Augenlidern und den weichen Knien, würde die kein Kinderspiel für ihn.
Und nebenbei hatte er sich vorgenommen, herauszubekommen, ob einer seiner Gäste vielleicht Huber vorhin im Hotel gesehen hatte, damit er ihn wenigstens des Mordes an Fritz Wupke überführen konnte.
Lichter in dunkler Nacht
Das Beste, was das Universum je hervorgebracht hatte, waren die Menschen. Nicht umsonst galten sie als die Krone der Schöpfung, in der Tierwelt gab es nichts Vergleichbares. Menschen waren einfach, leichtgläubig und naiv, so dass jeder Schöpfer seine helle Freude an ihnen gehabt haben musste. Man brauchte nur bestimmte Knöpfe zu drücken, und schon taten sie, was man wollte. Sie erschlugen ihren Bruder, um mehr Land oder Geld zu bekommen. Sie töteten den Nachbarn, wenn man ihnen einredete, dass dieser mehr Frauen hätte als sie. Sie schufteten Tag und Nacht, um einen größeren Hof, ein größeres Haus und einen größeren Flatscreen als andere ihr Eigen nennen zu können.
Wie Puppen an unsichtbaren emotionalen Bindfäden hüpften sie auf und nieder auf ein Stichwort oder einen unhörbaren Befehl hin, sie waren so wunderbar berechenbar, dass jeder, der ihren Algorithmus verstand, mit ihnen machen konnte, was er wollte. Sie liebten das einfache Leben und die Bequemlichkeit. Und das Beste, was ihnen passieren konnte, war, dass jemand ihnen sagte, was sie tun und lassen sollten. Vor allem lassen, denn dann reizte sie das Verbotene wie eine süße Frucht. Ja, Menschen waren die Krone der Schöpfung, und als Simon Neumayer müde und erschöpft in sein Büro ging, war er froh darüber, dass sie so waren. Solange er ihnen sagte, was sie tun sollten – und sie dies auch taten – war alles gut. Es wurde erst kompliziert, wenn er nicht mehr wusste, was er ihnen sagen sollte und sie anfingen, über alles selbst nachzudenken. Dann würden sie bestimmt merken, dass Simon schon lange nicht mehr Herr der Lage in seinem Hotel war. Und das durfte auf keinen Fall passieren, dann war Simon verloren.
Während sich nun die wenigen wagemutigen Gäste zum Skifahren umzogen, ging Simon noch einmal zum Telefon in seinem Büro, um erneut sein Glück bei der Polizei zu versuchen, doch noch immer ertönte das monotone Rauschen in der Leitung. Er hatte eigentlich vorgehabt, nach dem Fehler im Kabel zu suchen, aber da es bei Huber ebenfalls rauschte, konnte das nur bedeuten, dass Huber das gemeinsame Kabel weiter unten auf der Straße gekappt haben musste. Und dort die richtige Stelle zu finden, würde Stunden dauern.
Doch bevor er wieder zu den Gästen ging, um sie unauffällig nach verdächtigen Personen zu befragen, musste er noch etwas anderes erledigen. Er stieg die Treppe zum Keller hinunter und räumte den Dreck weg, den er hinterlassen hatte, als er durch das Fenster eingestiegen war. Dann nahm er den Handschuh
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