Eine letzte Breitseite
zurückerstatten, sobald ich konnte. Der Erste Offizier aber hat es gemerkt. Ich mußte ein Geständnis unterschreiben; er drohte mir, wenn ich noch eine Pflichtverletzung beginge, würde er es benutzen.«
»Er hat unrecht getan, Mr. Gilchrist. Ebenso wie Sie.«
Gilchrist schien das nicht zu hören. »Als ich auf die
Lysander
kam und hier Erster Offizier wurde, glaubte ich mich in Sicherheit. Ich bewunderte Captain Herrick und fand seine Schwester außerordentlich liebenswert, obwohl sie gelähmt ist. Dann kamen wir zum Geschwader unter Ihre Flagge, Sir. Und dazu gehörte die
Nicator
mit Captain Probyn.«
»Der seinerzeit Ihr Erster Offizier gewesen war.«
»Aye, Sir.«
Das war es also. In all den Jahren seit seiner Gefangennahme hatte Probyn seinen Haß gegen Bolitho genährt, den einzigen aus seiner Vergangenheit, den er treffen und verwunden konnte. Und als er wieder auf Gilchrist stieß, hatte er ihm mit dieser alten Sache gedroht, um einen Keil zwischen Bolitho und Herrick zu treiben.
Für Herrick hatte sich das letzten Endes günstig ausgewirkt. Doch andere hatten teuer dafür zahlen müssen, und indirekt war es die Ursache für Farquhars frühen Tod.
Verzweifelt sagte Gilchrist: »Auf keinen Fall darf ich Ihre Güte noch weiter ausnutzen, Sir.« Er lachte bitter auf. »Und mein Vater ist sowieso gestorben. Alles war umsonst.«
Bolitho betrachtete durch das salzfleckige Fenster die anderen Schiffe. Die
Buzzar
d
würde jetzt in sicheren Händen sein, dachte er. Leichter ohne ihre Kanonen und auch stärker, weil jeder Kampf, jedes nicht unbedingt notwendige Manöver vermieden werden konnte. Sie würde bestimmt durchkommen.
Gelassen erwiderte er: »Ich gebe Ihnen den Schiffsarzt der
Osi
r
is
mit, er soll ein tüchtiger Arzt sein. Sorgen Sie gut für die Verwundeten, sie haben genug durchgemacht. Lassen Sie nicht zu, daß sie in Gibraltar liegenbleiben, sondern setzen Sie durch, daß sie nach England gebracht werden.« Er sah die dankbare Überraschung in Gilchrists Zügen. »Ich verlasse mich in dieser Hinsicht auf Ihre Geschicklichkeit.«
Tiefbewegt nickte Gilchrist. »Sie haben mein Wort, Sir.«
»Dann gehen Sie an Ihren Dienst. Sie haben eine Menge zu tun.« Bolitho konnte Gilchrists Erschütterung nicht mit ansehen. Hier war ein Mann von einer großen Sorgenlast befreit worden. Vom Schatten des Galgens sogar.
Gilchrist ging zur Tür, unsicher auf seinen langen Beinen, ohne seinen gewohnten Springschritt. Er wandte sich noch einmal um, das Gesicht im Schatten. »Ich werde in der Heimat davon berichten, Sir. Was wir leisteten…«
»Berichten Sie nur, daß wir es
versuch
t
haben, Mr. Gilchrist.«
Dann hörte er ihn langsam zum Achterdeck gehen.
Mit ernstem Gesicht kam Allday aus der Schlafkajüte. »Darf ich Ihnen ein Glas Wein eingießen, Sir?« fragte er mit einem drohenden Blick zur geschlossenen Tür. »Sie waren viel zu milde mit dem, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten.«
»Er hat die Lektion hart gelernt, Allday. Und ich glaube, eines Tages wird es anderen zugute kommen.«
Allday sah zu, wie Bolitho an seinem Wein nippte. »Und was wird mit Captain Probyn, Sir?«
Bolitho lächelte melancholisch. »Berechtigte Frage. Aber er wird kämpfen, wenn er muß. Drei Kapitäne, mehr haben wir nicht. Persönliche Differenzen müssen da eben warten.«
Allday grinste. »Aber einen Kommodore haben wir auch noch, Sir. Und mit allem Respekt, der ist nicht schlecht.«
Bolitho sah ihn lächelnd an. »Geh zur Hölle, Mann!«
»Aye, Sir. Bestimmt komme ich eines Tages hin.« Allday drückte sich zur Tür. »Wenn da vor lauter Admiralen überhaupt noch Platz ist.«
Bolitho schritt zum Fenster und lehnte sich an das warme Holz. Diese wochenlangen Verzögerungen, die zerstörten Hoffnungen – jetzt bekam das alles einen Sinn.
Was hatte er zu Gilchrist gesagt?
Berichte
n
Sie
nur,
daß
wir
es
versuch
t
haben
.
Es klang wie ein Grabspruch.
Er riß sich zusammen und stellte das Glas weg. In fünf oder sechs Stunden ging die Sonne unter, dann mußte er unterwegs sein. Der Wind behinderte sie jetzt nicht mehr, sondern half; und diesmal würde das Ziel viel zu groß sein, um es zu verfehlen.
In den nächsten Tagen segelte das Geschwader nach Osten und dann nach Süden; jede Woche verlief wie die andere. Bolitho formierte seine kleine Streitmacht in breiter Front, die
Lysande
r
am nördlichen, die
Immortalit
e
am südlichen Flügel.
Der Wind wurde faul und launisch, kam aber meist von Norden, so
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