Eine letzte Breitseite
daß Bolitho, obwohl während der Nacht die Formation aufbrach, in breiter Linie weitersegeln konnte. Probyns
Nicator
lief in der Mitte, als ständige Erinnerung an Gilchrists Aussage: das schwächste Glied der Kette, aber doch unter einem Mann, der unersetzlich war, weil er genügend Erfahrung besaß, um einen Zweidecker in der Schlacht zu führen. Fast drei Meilen lagen zwischen jedem Schiff; mit guten Leuten im Ausguck war zu hoffen, daß man auf so breiter Front die feindliche Flotte oder wenigstens eine streifende Patrouille sichten würde.
Bolitho hatte Inch dem Geschwader vorausgeschickt, weil die schnelle, wendige Schaluppe lange vor den schwerfälligeren Linienschiffen in Alexandria sein konnte.
Mit jedem Tag brannte die Sonne heißer, und die erste Begeisterung ging nach und nach in eine realistischere, resignierende Haltung über. Sooft es möglich war, wurde Geschützexerzieren angesetzt; nicht nur um die Leute zu beschäftigen, sondern auch, um die Neulinge in ihre Gruppen zu gewöhnen. Herrick hatte ihm berichtet, daß der Zahlmeister bereits bei den letzten Reihen der Salzfleischfässer angelangt war. Obst gab es nicht, und auch das Trinkwasser wurde knapp, vom Waschwasser gar nicht zu reden.
An Bord der
Lysande
r
tat Herrick sein Bestes, um die Männer nicht nur auf Wache zu beschäftigen, sondern sie auch etwas zu ihrer eigenen Unterhaltung beitragen zu lassen, sobald die Sonne am Ende jedes langen Tages unterging: Hornpipe, Ringkämpfe, eine Doppelration Rum als Prämie für die originellste Knüpfarbeit. Sich auf diesem Gebiet immer wieder etwas Neues einfallen zu lassen, war schwieriger, als den täglichen Borddienst aus Segel- und Geschützübungen zu absolvieren.
Bolitho hoffte, daß Javal und Probyn sich ebensoviel Mühe gaben, um ihre Mannschaft in Form zu halten. Denn auch, wenn sie diesmal den Feind nicht fanden, war es noch nicht zu Ende. Dann kam der lange, ruhelose Weg zurück nach Syrakus oder nach einem anderen Punkt auf der Karte, den der Kommodore angekreuzt hatte, weil er ihn für aussichtsreich hielt.
Mehrmals hatte Javal signalisiert, daß er die Nordküste Afrikas gesichtet hätte, aber sonst schienen sie die See für sich allein zu haben.
Streit brach aus; bei einer Messerstecherei wurde einer der Kämpfer schwer verwundet, und der andere wurde ausgepeitscht, bis er bewußtlos war – eine grimmige Erinnerung an die Borddisziplin.
Dann, als Bolitho schon begann, sich wegen der
Harebel
l
ernsthaft Sorgen zu machen, sichtete der Ausguck die Schaluppe, die sich von Südosten herankämpfte. Inch brauchte einen vollen Tag, um aufzuschließen. Und als er endlich an Bord kam, wirkte die Nachricht, die er brachte, wie ein Schlag ins Gesicht.
Er war an der Halbinsel Pharos vorbei möglichst nahe an Alexandria herangesegelt. Doch wie schon vorher, war der Hafen leer bis auf das alte türkische Kriegsschiff. Ratlos hatte Inch gewendet und war zufällig auf ein kleines Genueser Handelsschiff gestoßen. Der Kapitän hatte bestätigt, was Bolitho von Anfang an vermutet hatte: Von Neapel aus war Nelson direkt nach Alexandria gesegelt; doch als er da nichts vorfand, hatte er sich mit seiner Flotte wieder nach Westen gewandt. Wie weit und in welcher Absicht, das konnte Bolitho nur vermuten; doch er vermochte sich vorzustellen, wie enttäuscht der Admiral gewesen war, als er weder in Neapel noch in Syrakus Informationen vorgefunden hatte und trotzdem seine Entscheidungen treffen mußte.
Dieser Genueser hatte Inch und seinem Enterkommando erzählt, daß er von schweren französischen Kriegsschiffen gehört hatte, die vor der Küste Kretas liegen sollten. Aber das war schon viele Tage her. Trotz aller Fragen, Kartenvergleiche, sogar Drohungen war aus dem Händler nichts Genaueres herauszubekommen gewesen.
Es war schon fast dunkel, als Inch seinen Bericht schloß. Herrick und Grubb hatten seine dürftigen Angaben auf die Karte übertragen.
Bolitho wollte am Morgen die
Harebel
l
wieder losschicken, um die Flotte zu suchen. Er an Inchs Stelle wäre froh gewesen, wieder von den schwerfällig manövrierenden Zweideckern wegzukommen. Doch Inch protestierte: »Ein Tag mehr oder weniger spielt keine Rolle, Sir. Die Franzosen sind irgendwo nördlich von uns. Es wäre besser, wenn ich bei Ihnen bliebe und vielleicht etwas Definitives für Nelson erfahren könnte. Wenn ich seine Flotte finde und ihm nur Gerüchte zu bieten habe, hat das nicht viel Zweck.«
Bolitho hatte dem halbherzig
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