Eine letzte Breitseite
machte aufzustehen, legte Allday ihm die Hand auf die Brust. Trotz der brennenden Sonne überlief es ihn kalt. Er scheuchte eine Fliege von der weißlichen Narbe, die quer über Pascoes Rippen lief und von dem Duell in Gibraltar stammte.
»Was – was ist geschehen?« Pascoe befühlte seinen Körper, als wolle er Stück für Stück prüfen, ob seine Gliedmaßen noch vorhanden waren. Wie sie alle trug er weder Koppel noch Schuhe; nur die Hose und die Reste seines Hemdes hatte man ihm gelassen.
»Die Hunde haben uns alles weggenommen«, murmelte Allday.
»Ich glaube, sie haben zwei von unseren Jungs unterwegs umgebracht, weil sie verwundet waren und das Tempo nicht durchhalten konnten.« Er dachte an die kläglichen Schreie und die Stille danach – Gott sei Dank war Pascoe bewußtlos gewesen.
»Aber wie bin dann ich…« Pascoes Augen trübten sich. »Sie haben mich den ganzen Weg getragen?«
Allday versuchte zu grinsen. »Das sind keine spanischen Soldaten, sondern Eingeborene. Mauren höchstwahrscheinlich. Aber sogar diese Schweine sehen, wer ein Offizier ist.«
Mißtrauisch beobachtete er die Soldaten. Wohin würde man sie wohl schaffen? Alles war so plötzlich gekommen: Auf einmal das Stampfen von Pferdehufen im nassen Sand, nur ein paar Meter von dem auf Strand gezogenen Boot: eine Patrouille oder ein Trupp, der zufällig zum Lager zurückritt – er wußte es immer noch nicht, und es spielte auch keine Rolle.
Die Reiter wären schnell an ihnen vorbeigewesen; sie hatten sich laut und sorglos unterhalten und bemerkten nichts Verdächtiges. Doch ohne auch nur einen Moment zu zögern, hatte Pascoe gesagt: »Die werden Leutnant Mears und die beiden Boote entdecken, Allday. Wenn sie den Schoner warnen, sind unsere Leute hoffnungslos verloren.«
Und so hatte Pascoe die Patrouille angegriffen, damit Mears unbemerkt an den Schoner herankam. Mit gezogenem Degen war er den Strand hinaufgerannt. »Drauf, Jungs!« hatte er geschrien.
Und ebenso schnell war es vorbeigewesen. Das Klirren von Stahl auf Stahl, Flüche, sausende Säbel, von allen Seiten die riesigen Schatten der tänzelnden Pferde.
Dann lag Pascoe nach einem Säbelhieb bewußtlos da, und die Matrosen warfen die Waffen weg. Die Reiter hatten sie ausgeplündert und dann geschlagen, systematisch, ohne Erregung oder Freude am Prügeln. Danach hatten sie die benommenen Männer mit Tritten und Stößen vor den Pferden hergetrieben, landeinwärts, weg von der See.
Pascoe leckte sich die trockenen Lippen und tippte auf die Beule an seinem Kopf. »Ich komme mir vor wie ein Amboß unterm Hammer.«
»Aye.«
Allday fuhr zusammen, denn der Anführer rief seinen Männern etwas zu: ein gutes Dutzend, alle wohlbewaffnet. Die überlebenden Matrosen dagegen waren ein geschlagener, verängstigter Haufen.
Der Reiter kam zu der kleinen Schar und sah auf Pascoe hinunter.
Er war groß, schlank, dunkelbraun und trug einen rohweißen Fez, von dem ein Nackentuch herabhing. Er deutete mit der Peitsche auf Pascoe und nickte.
»Teniente
,
teniente!
«
Langsam entblößte er gelbe Zähne und spuckte Pascoe gezielt aufs Bein.
Allday arbeitete sich unter Pascoes Körper hervor und stand mühsam auf. »Benimm dich, verdammter Hund, wenn du mit einem Offizier des Königs sprichst!«
Der Mann wich einen Schritt zurück, das Lächeln schwand, er rief seinen Leuten etwas zu.
Drei Mann rissen Allday die Arme nach hinten, warfen ihn aufs Gesicht in den feuchten Sand und traten auf seine Handgelenke, so daß er die ausgebreiteten Arme nicht bewegen konnte. Von unten her starrte er Pascoe beschwörend in das bleiche Gesicht und machte ihm Zeichen, ruhig zu bleiben.
Die Peitsche biß in seinen Rücken wie glühendes Eisen. Er biß die Zähne zusammen und hielt den Atem an, als der Schatten des Arms sich wieder hob und niedersauste. Und noch einmal. Starr blickte er auf zwei Mücken, die vor seinen Augen tanzten, und versuchte, die Stimmen über sich, das Pfeifen der Peitsche nicht zu hören, den brennenden Schmerz auf dem nackten Rücken nicht zu fühlen.
Dann hörte es auf, er wurde auf die Seite gerollt, der Maure trat ihm wütend in die Rippen. Halb blind vor Schweiß, Schmerz und Sand stemmte er sich hoch; er sah Pascoes Gesicht und wußte dabei: die Reiter warteten nur auf den geringsten Anlaß, sie allesamt niederzumachen.
Doch endlich saßen sie wieder auf und sprachen miteinander, als sei nichts Besonderes geschehen. Pascoe ergriff Alldays Arm.
»Lassen Sie mich helfen.«
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