Eine Liebe in Den Highlands: Roman
ihr
geradezu körperlich wehtat. »Ich denke, der Tee müsste jetzt fertig sein.«
»Ach ja? Ich habe ihn gern stark.«
»Aber du willst ihn nicht durchgekocht. Jedenfalls mag
ich ihn nicht so. Du hast nicht zufällig irgendwo ein Aspirin versteckt? Oder
soll ich schnell nach oben springen?«
»Ich hätte etwas Ibuprofen da. Kopfschmerzen?«
»Hmhm.«
»Dann nimm zwei davon, und bis Henry nach Hause kommt,
bist du wieder auf dem Damm. Er ist nett, nicht wahr?«
Jenny brauchte ein paar Sekunden, um sich daran zu
erinnern, wie Henry war. Ihre gesamte Erinnerung war von jemandem zum Teufel
gejagt worden, der umso vieles kraftvoller war. Es kam ihr so vor, als wollte
sie sich auf einen kleinen Hügel besinnen, nachdem sie gerade erst den Mount
Everest bestiegen hatte. »Ja, er ist nett.«
Felicity gab Jenny einen Becher. »Du klingst nicht -
ich meine, bist du mit ihm nicht…?«
»Unter uns gesagt, Felicity, ich liebe ihn nicht mehr,
aber ich hatte bisher noch keine Zeit, ihm das zu eröffnen. Ich wollte nach
Hause fahren und es dort hinter mich bringen, als er unvermutet hier aufgetaucht
ist.« Jenny nippte an ihrem Tee und nahm sich die Zeit, über den Unterschied
zwischen den Küchenbechern - dick, angeschlagen und schmuddelig - und dem
Porzellan im Wohnzimmer nachzudenken, das geradezu lachhaft zerbrechlich und
antik war.
»Irgendwie schade. Er kommt mir so nett vor. Gut
aussehend, aus bester Familie …«
Und wie ließ Ross sich beschreiben, abgesehen davon,
dass er die größte Ratte des Jahrhunderts war? Gut aussehend? Wahrscheinlich
nicht - dafür war er viel zu zerfurcht trotz des wunderschönen Anzugs, den er
getragen hatte. Aus guter Familie? Praktisch gar keine Familie. Reich?
Wahrscheinlich, aber das sprach eher gegen ihn. Wie war er reich geworden? Auf
dem Rücken unschuldiger Arbeiter. Es hatte keinen Sinn. Sie musste ihn sich aus
dem Kopf schlagen. »Es gibt nichts an ihm auszusetzen, Fliss; die Chemie stimmt
einfach nicht mehr. Und du weißt ja, wie wichtig das ist. Denk an Lachlan.«
»Hm.«
Felicitys Gesichtsausdruck grenzte abermals an
Ekstase. Obwohl Jenny sich für sie freute, konnte sie es im Augenblick einfach
nicht ertragen, in so viel Glück zu schwelgen. »Fliss, einer der Gründe, warum
ich früher nach Hause gekommen bin, ist eine Besprechung in der Firma, die wir
gerade hatten. Ich brauche dich dringend als Designerin. Kannst du dich wohl dazu
überwinden, mir deine Arbeiten zu zeigen?« Dann fügte sie, weil sie sich so
schäbig vorkam, hinzu: »Und ich bringe dich bald mal wieder zu Lachlan, versprochen.«
»Ehrlich? Das wäre wunderbar.« Sie seufzte tief, dann
riss sie sich zu Jennys Erleichterung zusammen. »Also, wenn du das für mich tun
würdest, dann zeige ich dir auch einige von meinen Entwürfen. Komm, wir nehmen
den Tee mit nach oben in mein Arbeitszimmer.«
Die Entwürfe waren beeindruckend. Felicity hatte eine
gewaltige Bandbreite zauberhafter Farben benutzt - um genau zu sein, alle
Farben in der Schachtel mit Pastelltönen, die Jenny ihr nach ihrem ersten
Besuch in dem Arbeitszimmer im Turm hatte schicken lassen. Auch die Schnitte
waren schmeichelhaft und sehr interessant.
»Die Sachen sind fabelhaft, Fliss. Ich weiß nur nicht,
wie man sie am besten in die Art von Produktion überführt, die uns vorschwebt.«
»Da wird Meggie dir helfen können. Und obwohl die Sachen
kompliziert aussehen, sind es doch sämtlich einfache Schnitte.«
»Sie sehen jedenfalls zauberhaft aus. Ich habe die
Filzfrau noch nicht kennen gelernt, aber ich hoffe, das Nuno ist genauso
vielseitig, wie es auf der Website ausgesehen hat.« Jenny nahm einen Schluck
Tee. »Gut gemacht, Felicity. Das ist erstklassige Arbeit. Jetzt muss ich allerdings
erst mal auf mein Zimmer und nach E-Mails schauen. Wir reden später.«
»Und du hilfst mir, das Abendessen zuzubereiten? Das
Kochen macht zu zweit so viel mehr Spaß.«
»Natürlich.« Selbstverständlich kann ich dir helfen,
dachte Jenny und kämpfte gegen Verbitterung, Eifersucht und Groll an, Gefühle,
an die sie nicht gewöhnt war. Ich muss lediglich Privatdetektivin spielen,
Absatzmärkte für bisher unbekannte Produkte finden und aus einem Sammelsurium
von Wolle und Lamafasern eine Laufstegkollektion entstehen lassen. Eine
Mahlzeit für vier Personen zusammenzuhauen mutet daneben wie ein Kinderspiel
an.
Kapitel
15
»Also, hattet ihr einen schönen Tag?« Jenny, die in
der Halle erwischt worden war, als Henry und Lady Dalmain nach
Weitere Kostenlose Bücher