Eine Liebe in Den Highlands: Roman
antwortete Jenny und
dachte an die schwarz gekleideten, langbeinigen, vielfach gepiercten Jungen und
ihr Computerspiel. Es war eine rein hypothetische Frage, welche von beiden
Parteien die andere merkwürdiger finden würde; Lady Dalmain hatte
wahrscheinlich keinen Teenager mehr zu Gesicht bekommen, seit Iain diesem Alter
entwachsen war, und es war unwahrscheinlich, dass die Jungen jemals außerhalb
eines ihrer abscheulichen Videos einem Menschen wie Lady Dalmain begegnet
waren. »Ich habe seine - seine Freundin noch nicht kennen gelernt.«
»Sie waren bei ihm? Oh, der liebe Junge! Geht es ihm
gut?«
»Er machte den Eindruck.« Jenny war sich nicht ganz
sicher, ob das der Wahrheit entsprach - tatsächlich hatte sie das Gefühl
gehabt, dass es Philip möglicherweise schwerer fiel als erwartet, mit zwei
riesenhaften Teenagern in einer winzigen Wohnung über einem Laden zu leben -
doch andererseits war es vorstellbar, dass die große Liebe ihm das Ganze
durchaus erträglich machte.
»Was für eine herrliche Neuigkeit! Wie haben Sie ihn
gefunden? Kann ich ihn anrufen?«
»Ich habe seine Telefonnummer nicht«, sagte Jenny
vorsichtig, da sie das Gefühl hatte, ein Anruf von Lady Dalmain sei möglicherweise
nicht willkommen. »Ich habe ihn allerdings gebeten, Sie anzurufen, und er hat
mir versprochen, es zu tun.«
»Nun, wenn Philip hier sein wird«, meinte Ross,
»würden mich keine zehn Pferde von Ihrer Dinnerparty fern halten können, Lady
Dalmain. Es wäre ungemein wichtig für unsere Geschäftsbeziehungen, denken Sie
nicht auch, Miss Porter?«
Miss Porter warf ihm einen Blick zu, bei dem er
eigentlich hätte tot umfallen müssen. Zumindest aber hätte er dieselbe Wirkung
haben sollen wie ein halbwegs anständiger Blitzschlag. Umso größer war die
Enttäuschung, dass er immer noch stand und obendrein wie das blühende Leben
aussah. Doch eines würde er sehr bald herausfinden: dass sie zwar so ziemlich
alles für so ziemlich jeden zu tun bereit war, sich jedoch von niemandem
schikanieren ließ.
Während Lady Dalmain sich immer noch in einem Zustand
der Ekstase befand, blieb es Felicity und Henry überlassen, Ross aus dem Haus
zu geleiten. Jenny hatte nicht vor, sich in eine Situation zu bringen, in der
sie mit ihm allein sein würde, nicht einmal für ein paar Minuten.
»Schenken Sie mir doch noch einen Drink ein, meine
Liebe«, bat Lady Dalmain. »Das ist wirklich mal eine gute Neuigkeit! Wie haben
Sie ihn aufgespürt?«
»Mit ein klein wenig Detektivarbeit und einem Anruf
bei der Telefonauskunft.«
»Dann haben Sie also doch seine Nummer!«
»Oh, nein. Ich habe in der Buchhandlung angerufen. Und
wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden, irgendjemand muss sich um das
Abendessen kümmern.«
»Soll ich vielleicht die Kartoffeln schälen oder
irgendetwas in der Art?«, erbot sich Henry, als er in den Raum zurückkam.
»Nein, danke, Henry«, antwortete Jenny, nicht weil
dieses Angebot sie nicht beeindruckt hätte oder keine Kartoffeln geschält
werden mussten, sondern weil sie Henry nicht in der Küche haben wollte - in
seiner Anwesenheit hätte sie auf den großen Whisky verzichten müssen, den sie
ebenso brauchte wie verdiente.
Bei Koteletts und Kartoffelpüree erzählte Lady Dalmain
Henry von Philip. »Ihr zwei würdet euch bestimmt gut verstehen. Er ist ein sehr
kultivierter Mann, müssen Sie wissen. Er hat das Interesse seines Vaters an
Büchern geerbt und meine Begeisterung für Geschichte. Sie wissen doch sicher,
dass ich ein Buch schreibe, nicht wahr, Henry?«
»Und ob ich das weiß, Lady Dalmain. Ich hoffe, dass
ich irgendwann das Vergnügen haben werde, es lesen zu dürfen. Jenny, hättest du
vielleicht Lust, nach dem Abendessen einen Spaziergang zu machen? Es gibt da
ein oder zwei Dinge, über die ich gern mit dir sprechen würde.«
Jenny warf einen Blick auf ihre Armbanduhr, wohl
wissend, dass sie keinen Vorwand hatte, um eine Bitte auszuschlagen, auch wenn
sie sich in diesem Augenblick nichts weniger wünschte, als mit Henry allein zu
sein. Er hatte inzwischen den Bogen raus, wie man das kostbare, antike Porzellan
Stück für Stück und mit größter Sorgfalt abspülte. Zusammen mit Felicity würden
sie den Abwasch im Nu erledigt haben.
»Das wäre schön. Es ist schließlich noch ziemlich
hell.«
»Das fällt mir immer auf, wenn ich nach England
fahre«, bemerkte Lady Dalmain. »Wie dunkel es abends ist. Natürlich nicht im
Hochsommer, aber im Allgemeinen sind die Sommertage hier oben
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