Eine Liebe in Paris
dass du wegkommst!«
Das Klirren hielt einen Augenblick lang inne, dann schepperten die Bügel einige Male kurz und höhnisch aneinander. Haha, so einfach nicht mit mir, schien der Geist zu spotten.
Ich ballte die Fäuste und schloss die Augen. »
Esprit!
«, rief ich und im Kleiderschrank herrschte Stille. »
Va-t’en!
Geh weg! Ich habe dich nicht gerufen. Geh weg! Ich rate es dir im Guten.«
Ein, zwei Male schlugen die Bügel aneinander. Konnte ich ihn überzeugen und ihn beherrschen? Mal sehen. Seine Unentschiedenheit gab mir Mut.
»Ich zähle bis drei,
Esprit
. Ich habe dich nicht gerufen«, wiederholte ich wie eine Zauberformel, denn der Spruch schien zu wirken. Ein kurzes aufmüpfiges Scheppern ließ mich vor Schreck zusammenzucken, ehe ich mich wieder im Griff hatte.
»
Un, deux …
«
In meinem Zimmer war es nun still, doch ich wollte ganz sicher gehen.
»
Trois! Va-t’en!
«, rief ich und versuchte, meine Stimme dabei fest klingen zu lassen.
Alles war schlagartig ruhig und auch mein Herzschlag ging wieder langsamer. Peguilin Lauzun, oder wer immer da in meinem Kleiderschrank gewesen war, war fort, da war ich mir sicher, doch ich saß noch lange in der Hocke auf meinem Bett. Es tröstete mich, meine Arme um die Knie zu schlingen und so innerlich zur Ruhe zu kommen.
Als ich mich wieder hinlegte und mir die Decke bis fast über den Kopf zog, war es beinahe vier Uhr morgens, und am Pariser Nachthimmel verdeckte mir eine dicke graue Wolkenschicht die Sicht auf die Sterne. Hoffentlich kann ich jetzt schnell weiterschlafen, dachte ich noch, als mir schon die Augen zufielen.
Am nächsten Morgen war der Himmel wie reingewaschen. Ich wachte auf, als es an meine Tür klopfte.
»Komme gleich!«, rief ich und brauchte einen Augenblick, um mein Gleichgewicht zu finden. Lauzuns Besuch steckte mir noch in den Knochen, und ich warf meinem Kleiderschrank einen beunruhigten Seitenblick zu, während ich mich aus dem Bett rollte. Plötzlich war ich mir gar nicht mehr sicher, ob ich das Ganze vielleicht nur geträumt hatte. Nein, dazu waren die Geräusche viel zu real gewesen.
Vor meiner Tür stand Camille und sie war zu meiner Überraschung bereits angezogen und hatte ihre Handtasche bei sich.
»Gut geschlafen?«, fragte sie und ich knurrte: »Ging so.«
Es war nur ihre Schuld, wenn ich jetzt wie ausgespuckt aussah, dachte ich wütend. Ohne sie wäre ich bald zu Bett gegangen und ohne ihre
Scéance
hätte ich mir auch die Nacht nicht mit Geistern um die Ohren schlagen müssen.
»Bist du denn noch nicht fertig?«, fragte sie mich dann.
»Wofür?«
»Na, für den Flohmarkt.«
Ich schlug mir mit der Hand vor die Stirn. »Sorry, Camille, das habe ich komplett vergessen.«
Sie sah auf ihre Armbanduhr. »Ich warte schnell auf dich, aber beeil dich …«
»Nein, tut mir leid, ich komme nicht mit. Meine Pläne haben sich geändert, entschuldige, ich habe wirklich vergessen, dass wir zusammen zum Flohmarkt wollten.«
Sie wirkte enttäuscht. Dieses Mädchen war so anhänglich wie ein Pudel.
»Schade. Ich hätte ihn dir gerne gezeigt.«
»Nächstes Wochenende, ja?«, sagte ich versöhnlich.
Sie zuckte mit den Schultern. »Vielleicht, wenn ich nichts anderes vorhabe. Bis zum Mittagessen dann.«
»Ja, bis dann. Viel Vergnügen und gib nicht so viel Geld für altes Zeug aus.«
Sie winkte, ohne zu lächeln, und ging den Gang hinunter.
Sei es drum, ich musste meine Kraft für Wolff bündeln. Nun, da ich wach war, konnte ich mich ebenso gut schon duschen, anziehen und meine Siebensachen zusammensuchen. Wo war denn mein Skizzenblock? Den musste ich nach dem Telefonat mit Wolff unbedingt dabeihaben. Ich fand ihn unter zwei Zeitschriften und meiner schmutzigen Jeans vergraben und vergessen. Von Paris gab es darin noch keine einzige Zeichnung, aber vor lauter Leben kam ich hier gar nicht mehr zum Malen.
Im
Louvre
drängten sich die Menschen: Sie standen an dem Eingang der Glaspyramide Schlange, flanierten in Richtung der
Tuilerien
, hinter denen der Eiffelturm in den blanken Himmel stach, und saßen plaudernd am Rand des Springbrunnens. Nach dem sehr grauen Tag gestern tat der Sonnenschein heute richtig gut, und ich zog die Ärmel meines schwarzen V-Ausschnitt-Pullis hoch und dann den Ausschnitt etwas tiefer, ehe ich einen nervösen Blick auf meine Armbanduhr warf. Nur noch zehn Minuten, dann war es so weit. Noch zehn Minuten und ich hatte mein
Rendezvous
mitWolff. Denn das war es doch nun, oder? Ein
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