Eine Liebe in Paris
schon sagen, wenn die eigene Anwesenheit einem lebenslustigen Geist nicht passt? Es stimmte ja, ich hatte nur an Wolff gedacht, und diese Gedanken hatten mir geholfen, meine Furcht zu überwinden.
»Macht nichts.«
Camille stand auf und klatschte in die Hände. »
C’est fini
. Wir treffen uns nächsten Monat wieder, dann ist Lauzun besserer Laune, okay? Lasst uns jetzt essen.«
Wie auf Kommando öffneten sich die großen Doppeltüren auf der anderen Seite des Zimmers, und wir sahen einen hell erleuchteten Raum, in dem auf einem langen Tisch ein Buffet aufgebaut war. Mein Magen knurrte zwar, aber ich wusste nicht, ob ich jetzt noch auch nur einen Happen hinunterbringen konnte. Ich war erleichtert, das Geisterzimmer zu verlassen, in dem Camille gerade die Scherben auf dem Tisch zusammenfegte. Ihre Bewegungen waren dabei so gelassen, als hätte sie soeben Blumen in eine Vase gesteckt und nicht mit dem Geist eines vor langer Zeit verstorbenen Lebemanns gerungen.
Camille und ich kamen kurz vor Mitternacht nach Hause und verabschiedeten uns flüsternd voneinander.
»Hat es dir gefallen? Hast du dich gut unterhalten?«, fragte sie mich.
»Hm, ja.« Etwas anderes konnte ich kaum sagen. Rutschende Gläser waren nicht mein Ding und beim Essen hatte ich mich mit meinem Teller in eine Ecke verzogen. Niemand hatte mich weiter beachtet, und ich selbst brachte es nicht über mich, auf Camilles Freunde zuzugehen. Ich musste mich ja wohl kaum mit einem von diesen jungen Hühnern unterhalten!
»Das nächste Mal klappt es sicher besser«, sagte Camille. »Du musst dir auch etwas Mühe geben.«
Das nächste Mal! Himmel hilf, fuhr es mir durch den Kopf, aber ich sagte nur: »Sicher. Gute Nacht, Camille.«
Als Camille in ihr Zimmer gegangen war, stand ich einen Augenblick lang allein im dunklen Gang und dachte noch an den heutigen Abend zurück und mit welcher Kraft dieses zarte kleine Ballett tanzende Mädchen, das so ungemein vernünftig schien, diesen zickigen, schwierigen Geist heraufbeschworenhatte. Hm. Stille Wasser waren wirklich tief, entschied ich und stieg die Treppe nach oben in mein Zimmer. Beim Zähneputzen und Abschminken sah mich mein Gesicht im Spiegel blass und müde an. Wäre ich lieber mal daheimgeblieben, um meinen Schönheitsschlaf für mein Treffen morgen mit Wolff zu bekommen, dachte ich mürrisch. Andererseits war eine
Scéance
etwas, wovon ich erzählen konnte. Wolff musste sicher ebenso darüber lachen wie ich jetzt. Die Angst, die ich vor einigen Stunden empfunden hatte, war bereits wie weggeblasen und erschien mir plötzlich ganz unwirklich. Schließlich hatte der Gedanke an ihn mir darüber hinweggeholfen.
Ich schlüpfte in meinen Pyjama und rollte mich dankbar in mein warmes, weiches Bett.
Ich musste gleich eingeschlafen sein, denn als das erste Geräusch mich weckte, stand der leuchtende Zeiger meines Weckers auf Punkt drei Uhr morgens. Angestrengt lauschte ich in die Dunkelheit und setzte mich auf. Was war das? Es klirrte und schepperte metallisch in meinem Zimmer. Aus welcher Richtung kam das? War da jemand? Mir wurde der Mund trocken, und ich zog meine Bettdecke bis an die Nasenspitze, sodass nur meine Augen hervorlugten. Langsam lösten sich die Umrisse der Möbel aus der eben noch tiefschwarzen Nacht, die im Raum herrschte. Da! Da war es wieder, und es kam aus dem Kleiderschrank, kein Zweifel. Die Bügel darin schlugen krachend zusammen. Es klang wie ein zorniges Konzert. Mir stockte das Herz. Das konnte nichtsein! Die Bügel lebten ja nicht und es wehte auch bestimmt kein Wind in meinem Zimmer. Wie also konnten sie sich dann bewegen? Jetzt schepperte es erneut und es klang noch zorniger als zuvor. Ich fing am ganzen Körper an zu zittern. Das musste Camilles Geist sein und er erklärte mir und meiner beleidigenden Unaufmerksamkeit von vorhin lärmend den Krieg. Vor Angst und Fassungslosigkeit bekam ich Gänsehaut und das Blut schoss heiß durch meine Adern. Dann, nach einigen Atemzügen und noch mehr Geschepper in meinem Schrank, fing ich mich wieder und wurde wütend – furchtbar wütend. Verdammt noch mal, dies war
mein
Zimmer, es war mitten in der Nacht und ich wollte schlafen! Was bildete sich dieser Geist eigentlich ein? Ich wollte morgen frisch und schön sein, anstatt noch mehr Zeit an diesen dummen Spaßvogel zu verschwenden, als ich es eh schon getan hatte.
Mit einem Ruck setzte ich mich auf und warf meine Bettdecke von mir.
»Verschwinde!«, rief ich in die Dunkelheit. »Mach,
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