Eine Liebe wie Magie
hellviolettem Musselin und Charlotte in ihrem neuerstandenen kirsch- und rosefarbenen Seidenkleid, während die Vicomtesse Gunther in Gelb mit ihrer Tochter Prudence in Himmelblau das Farbspektrum auf der gegenüberliegenden Seite vervollständigte.
Augusta, deren zusätzliche Anwesenheit die Gräfin mit ihrer sechssitzigen Couch in arge Bedrängnis gebracht hatte, hatte sich für den einzelnen Salonstuhl, der den Fenstern am nächsten war, entschieden, gegenüber von den anderen und weit genug entfernt, ihr jede echte Teilnahme an der Konversation zu ersparen.
Aber das hatte die anderen nicht abhalten können.
Gleich nach ihrer Ankunft war die Zusammenkunft rituell dazu übergegangen, sich gegenseitig Komplimente über ihre Aufmachung zu machen — über Kleider, Frisuren und selbst über ihre Handschuhe.
Bis sie zu Augusta kamen, versteht sich.
Ihr einfaches beige- und cremefarbenes Kleid war das hellste, das sie besaß, doch neben den farbenfrohen Pastellarrangements der anderen Blüten im Salongarten sah es aus, wie ein Stückchen vertrocknetes Schilfgras. Trotzdem war es ihnen gelungen, Gefallen an ihrem Haar zu finden; sie nannten den einfachen Stil, in dem Mina es zusammengesteckt hatte, »putzig« und »ausgesprochen passend zur Form ihrer Augen«.
Und dann hatte das Geschwätz begonnen. Sie versuchten, Augusta einzubeziehen, indem sie gelegentlich solche Dinge fragten wie »Würden Sie nicht zustimmen, Lady Augusta?« oder »Fanden Sie das nicht auch?«, worauf Augusta immer nur nickte, obwohl sie selten wußte, wobei sie nun überhaupt zustimmte, und sich statt dessen damit befaßte, die Minuten zu zählen, die sie noch brauchten, um jedes Gesprächsthema, zu dem sie fähig waren, auszuschöpfen. Sie hatten bereits die verschiedenen Stickmuster abgehandelt und ausgiebig diskutiert, ob ein Schal als passendes Accessoir zur Abendgarderobe angesehen werden müßte oder nicht. Worüber sonst konnten sie sich bloß noch unterhalten?
»Lady Augusta«, sagte plötzlich Lady Finsminster und ertappte Augusta mitten im Gähnen. »Es hatte mich ziemlich überrascht, als ich Sie neulich Abend bei Almack’s mit dem jungen Edenhall tanzen sah.«
Sie machte eine Pause. Die anderen Damen lugten hinter ihren Teetassen zu ihr hinüber. »Ich wußte nicht, daß er nach den Ereignissen des letzten Jahres nach London zurückgekehrt war, auch wußte ich nicht, daß sie beide sich schon vorgestellt waren.«
»Ja, Mylady«, war ihre höfliche Antwort, die absolut keinen Anlaß bot, das Gespräch fortzusetzen. Sie blickte auf ihre Fußspitze, die auf dem Kidderminsterteppich ruhte.
Lady Finsminster ließ sich jedoch nicht entmutigen.
»Feine Familie, die Edenhalls. Ich kannte die Herzogin«, sie räusperte sich bedeutungsvoll, »die vorige Herzogin, natürlich. Ich kannte sie sogar ziemlich gut; sie war die Mutter des jetzigen Herzogs und von Ihrem Lord Noah.«
Augusta öffnete den Mund, um die Gräfin davon in Kenntnis zu setzen, daß er auf keinen Fall »ihr« Lord Noah war — ganz im Gegenteil. Sie kam allerdings nicht dazu, denn Lady Gunther meldete sich mit einem eigenen Kommentar.
»Ja, auch ich war mit der Herzogin bekannt. War immer bestrebt, jeden Ärger von ihrer Familie fernzuhalten, und das tat sie auch, obwohl ihr Mann, der alte Herzog, schon irgendwie ein komischer Kauz war. Jedenfalls scheinen die Devonbrooks selbst nach den letzten Vorfällen über jeden Skandal erhaben zu sein.«
Diesen Leckerbissen konnte Charlotte sich nicht entgehen lassen, genausowenig wie einen der frischen Zitronenkekse, die vom Dienstmädchen der Gräfin direkt vor ihr plaziert wurden. »Letzte Vorfälle? Skandal?« forschte sie nach und nahm schnell einen Bissen.
Die ganze Versammlung drehte sich zu ihr um, was Charlotte mit einem bescheidenen Lächeln quittierte. »Wie Sie wissen, war Augusta einige Zeit im Ausland, bevor sie sich in London niederließ, und weiß daher nichts über die Vorfälle, von denen Sie sprechen. Jetzt, wo sie zu Ihrem Bekanntenkreis gehört, sollte sie eingeweiht sein.«
»Aber natürlich sollte sie das«, mischte sich Lady Trussington ein. Sie ordnete kurz ihre Röcke. »Und daher ist es unsere Pflicht, sie zu beraten.«
Beraten? Augusta zog die Augenbrauen hoch. Bestimmt nicht. Die anderen murmelten zustimmend.
Augusta versuchte, sie umzustimmen. »Sie sind wirklich zu freundlich, aber es ist bestimmt nicht notwendig ...«
»Aber natürlich. Zuerst war da das Feuer.«
Mehr brauchte es nicht.
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