Eine Liebe wie Magie
löst, würde sicherlich in Frage gestellt werden, und Lord Noah machte da keine Ausnahme, aber immerhin ist er ein Devonbrook, und die Devonbrooks verstehen es, Skandale zu überstehen. Selbst einen Skandal, der sich im nachhinein als dermaßen schockierend herausstellt.«
»Was geschah als nächstes?« fragte Charlotte.
Lady Finsminster wollte gerade antworten, sah dann aber zu ihrer Tochter hinüber. »Bibi, meine Liebe, warum nimmst du nicht Prudence mit ins Gewächshaus und zeigst ihr die Primeln? Sie stehen jetzt in voller Blüte und sind wirklich sehr hübsch.« »Aber, Mama...»
»Bibi.« Der Ton der Gräfin war diesmal bedeutend strenger. »Die Primeln.«
Was sie zu sagen hatte, war offensichtlich nichts für Bibis oder Prudences Zartgefühl. Leider erstreckte sich ihre Sorge nicht auch auf Augusta, die selbst Primeln liebend gern dieser Konversation vorgezogen hätte.
Bibi stand von ihrem Platz auf, und karottenrote Locken wippten hin und her. Sie zog noch einen Schmollmund und bedeutete dann Prudence, ihr zur Gartentür zu folgen. Als sie sicher außer Hörweite waren, nahm Lady Finsminster ihre Konversation wieder auf. Ihre Stimme veränderte sich nun zu einem diskreten Flüstern. »Man munkelte, daß Lady Julia schwanger war.«
Charlotte atmete schwer und preßte ihre Hand auf die Brust. Sie konnte sich kaum noch zurückhalten. »Lord Noah ließ seine Verlobte und sein Kind im Stich! Der Schuft!«
»So hätte man meinen könne«, sagte Lady Trussington, »aber dem war nicht so. Ich habe gehört, daß das Kind vor knapp vier Monaten zur Welt kam — mit sehr hellem Haar und mit diesen markanten blaugrünen Augen, dem Markenzeichen der Athertons.«
Diese letzte Bemerkung ließ alle nach Luft schnappen. Charlotte fiel auf ihren Platz zurück, als ob sie gerade ein Rennen über drei Treppenfluchten geliefert hätte. Seit sie ihre Stiefmutter kannte, hatte Augusta sie noch nie sprachlos gesehen. Bis jetzt.
Schließlich fand Charlotte ihre Zunge wieder. »Lady Julia hatte Lord Noah mit Atherton betrogen!«
»Allerdings. Lady Julia ist natürlich völlig ruiniert. Eine positive Beurteilung ihres Charakters ist nach all dem völlig unmöglich. Sie wird nie wieder in der gehobenen Gesellschaft Fuß fassen können. Ich habe gehört, daß ihr Vater sie selbst jetzt noch an einen italienischen Comte verheiraten will. Die Mitgift hat er schwindelerregend aufgestockt, um den zukünftigen Bräutigam zur Zustimmung zu bewegen. Das Kind wird incognito von ärmeren Verwandten auf dem Lande aufgezogen. Und Atherton, nun ja, er ist nicht besser dran, natürlich, mit seiner Unehrenhaftigkeit, die unauslöschlich durch Lord Noahs Schuß sein Gesicht entstellt hat. Keine verantwortungsbewußten Eltern würden auch nur im Traum daran denken, ihrer Tochter zu erlauben, ihn zu heiraten.«
Es folgte ein Moment der Stille, in dem die Damen dieses tiefgründige Gespräch erst einmal verdauen mußten. Augusta machte sich bereit aufzustehen, um Charlotte zu signalisieren, daß sie ihre Abmachung bereits mehr als erfüllt hatte und der Aufbruch längst überfällig war. Lady Trussington ergriff jedoch das Wort und vereitelte so ihr Vorhaben.
»Lord Noah hingegen sah seine Ehre wiederhergestellt, zumindest bei den meisten. Ein Gentleman, der die Heimtücke und den Verrat einer treulosen Frau überlebt hat, wird zu einer wahrhaft romantischen Figur. Jede heiratsfähige junge Frau in London wird sich bemühen, sein gebrochenes Herz wieder zusammenzufügen. Und bei all dem Reichtum der Devonbrooks ebenfalls jede mitfühlende Mutter. Ihn sich zu sichern wäre schon eine Großtat. Tatsächlich glaube ich, daß ich ihn zu unserer nächsten Gesellschaft einladen werde. Sie sehen also, Lady Augusta, daß es kaum eine bessere Verbindung geben könnte, als den Devonbrook-Titel.«
Augusta stand auf und plazierte die Teetasse sanft auf dem Tisch neben ihr. »Nun, ich wäre Ihnen wirklich sehr dankbar, meine Damen, wenn das mein Bestreben wäre. Allerdings suche ich keine Verbindung zum Devonbrook-Titel. Ich suche keine Verbindung zu irgendeinem Titel.« Sie machte eine Pause, bis sie sicher war, daß alle Aufmerksamkeit auf sie gerichtet war, bevor sie hinzufügte: »Ich bin zu der Entscheidung gekommen, daß ich niemals heiraten werde.«
Daraufhin verfiel der Raum zum ersten Mal an diesem Morgen in tiefes Schweigen.
Die Gruppe machte sich gegen Mittag auf den Weg zum Park. Sarah und Eleanor Wycliffe saßen sich im Landauer der
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