Eine Liebe wie Magie
Knightons gegenüber, während Christian und Noah nebenher ritten. Sie befanden sich auf dem Sandpfad durch den Hyde Park, den die meisten unter dem Namen »Rotten Row« kennen.
Es war ein schöner Tag nach einigen verregneten, und daher war der Park schon vor der beliebten Stunde um fünf Uhr nachmittags voll von Kutschen und Reitern. Damen fuhren in Zweisitzern vis-ä-vis, begleitet von livrierten Dienstboten, andere waren zu Pferde, immer im Damensattel. Die Herren erschienen in ihren feinsten gestreiften Westen und brüsteten sich stolz auf dem Rücken ihrer hochtrabenden Pferde, während ihre Kinder, ebenso fein herausgeputzt, auf ausgelassenen Ponys hinter ihnen her trappelten. Es war die größte Parade Londons.
Als er an einem Kirschbaum vorbeiritt, griff Noah nach einem kleinen Zweig mit schneeweißen Blüten und brach ihn ab. Er trabte hinüber zur Kutsche und überreichte ihn galant Sarah, die über diese Aufmerksamkeit errötete. Seit diesem schrecklichen Morgen, als er ihr die Todesnachricht überbringen mußte, hatte sie nie schöner ausgesehen. Sie hatte etwas Farbe bekommen, und ein Licht war in ihre Augen zurückgekehrt, von dem er hoffte, daß es niemals wieder verschwinden würde.
Sie ließen sich abseits des übrigen Volkes neben einer uralten Weide und in der Nähe eines von Seerosenblättern übersäten Weihers nieder. Während Eleanor die Diener anwies, wo sie das Tischtuch ausbreiten sollten, begann Sarah, die Essenssachen aus den Körben zu packen. Noah und Christian nahmen sich einen Augenblick Zeit, um zusammen am Teich entlang zu spazieren.
»Du weißt, sie liebt dich«, sagte Christian, indem er sich zu Sarah umdrehte, die ihnen fröhlich zuwinkte.
»Ich weiß«, gestand Noah stirnrunzelnd und blickte dabei zu Boden.
Christian sah ihn an. »Hör zu, wenn du meinst, daß ich mich da raushalten sollte, dann sag es nur.«
»Nein, das ist es nicht, Christian. Ich habe nichts zu verbergen, besonders nicht vor dir. Sarah ist ein süßes Mädchen. Ich kenne sie fast mein ganzes Leben lang, und es gibt kaum einen Tag, an dem ich nicht Tonys Stimme im Kopf habe, der mir sagt, daß ich sie heiraten soll. Aber...« Er zögerte und versuchte Worte zu finden, die seinen Gefühlen am besten Ausdruck verleihen könnten.
»Aber du liebst sie nicht«, beendete Christian den Satz für ihn.
Noah sah betreten auf. »Genau. Ich habe es versucht, aber ich kann nicht mehr als Freundschaft für sie empfinden. Und dann frage ich mich, wie viele Ehen wirklich auf Liebe basieren.«
»Die Ehe deines Bruders ist die einzige, die ich kenne.« Christian schüttelte den Kopf. »Und was das betrifft, bin ich bestimmt nicht der richtige Ansprechpartner, mein Freund. Bei meiner Stellung, meiner Familie, kann ich von Glück reden, wenn ich von meiner zukünftigen Frau auch nur ein Bild sehe, bevor der Vertrag unterzeichnet wird. Mein Großvater würde mich mit einem Pferd verheiraten, wenn er es für vorteilhaft hielte.«
Noah betrachtete seinen Freund. Christian Wycliffe war der einzige Erbe eines fürstlichen Vermögens, ein Vermögen, daß zur Zeit vom jetzigen Herzog von Westover, seinem Großvater, kontrolliert wurde. Fast jeder wußte von der Macht, die der alte Mann über Christians Zukunft hatte. Es war eine Tatsache, die Christian gezwungen war zu akzeptieren. Er hatte die bittere Pille zu schlucken, obwohl er es haßte. Jede Entscheidung in seiner Erziehung, seine Freunde, die Dinge, mit denen er sich beschäftigte, sogar die Fächer, die er an der Universität studierte, alles war von dem alten Herzog für ihn bestimmt worden. Und es war ein Schicksal, das er niemals würde ändern können, denn seine Hände waren unwiderruflich gebunden, sowohl finanziell durch seinen Großvater, der die Zukunft seiner Erbschaft kontrollierte, als auch emotional durch das Andenken an seinen verstorbenen Vater. Es war der letzte Wunsch seines Vaters gewesen, daß er seinen Platz einnehmen würde, um aus dem Westover-Titel das zu machen, was ihm in seinem durch die Krankheit verkürzten Leben nicht vergönnt gewesen war. Es war eine Verpflichtung, bei der Christian keine andere Wahl hatte, als sie zu erfüllen. Während viele also Christian um sein Geburtsrecht beneideten — den Reichtum, das Prestige —, kannten einige wenige den schrecklichen Preis, den er dafür zu zahlen hatte: seine Freiheit.
Noah trat mit der polierten Spitze seines Schaftstiefels gegen einen Grashalm. »Vor dem letzten Jahr, bevor ich Julia
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