Eine Liebe wie Magie
heute abend auf den Danby-Ball zu gehen, er hatte sogar Eleanor und Sarah gesagt, daß er sie nicht begleiten könnte, weil er den ganzen Abend zu Hause bleiben wollte. Heimlich wollte er weitere Versuche unternehmen, die Zeichen zu entschlüsseln, die er auf dem Blatt in Augustas Jacke gefunden hatte. Aber dieser letzte Brief von ihr hatte seine Neugier geweckt. Vielleicht war die Zeit der Tändeleien zwischen ihnen nun vorbei. Vielleicht war es an der Zeit, daß er Augusta einfach mit allem konfrontierte - mit dem Blatt der Zeichen, mit der Warnung, mit Tonys Selbstmord und mit der Keighley-Brosche, die er in ihrem Besitz vermutete.
Es war eine Nacht, wie geschaffen für Gesetzlosigkeiten. Der Mond war hinter dunklen Wolken versteckt, und das Pflaster war feucht und schlüpfrig von dem Regen, der die letzten Stunden langsam und gleichmäßig niedergegangen war. Ein Nachtnebel hing um die Gaslampen der Charles Street und ließ sie verschwommen durch die Schwaden scheinen. Ja, wirklich, eine perfekte Nacht.
Augusta bat den Mietkutscher, an der Straßenecke zu halten. Sie hatte nicht Davison gebeten, sie zu fahren, damit er im Falle ihrer Entdeckung nicht mit hineingezogen würde. Immerhin war sie im Begriff, das Gesetz zu brechen.
»Und hier wollen Sie wirklich raus, Gnä’ Frau?« fragte der Fahrer und beäugte mißtrauisch die Gegend, während er das Fahrgeld entgegennahm.
»Jawohl, Sir. Danke für Ihr Interesse, aber Sie brauchen sich nicht zu beunruhigen, das Haus meiner Schwester befindet sich genau hier.« Sie deutete auf das nächstgelegene Wohnhaus, in dem nicht eine Kerze hinter den verdunkelten Fenstern brannte. »Sie bleibt heute abend bei mir und vergaß einige Sachen mitzubringen, die sie unbedingt braucht. Sie wissen ja, wie wir Frauen uns aufregen, wenn wir nicht unser Lieblingsparfüm oder die besten Haarreifen haben.« Im Licht seiner kleinen Laterne lächelte sie ihn verbindlich an. »Das Haus ist wahrscheinlich dunkel, weil das Personal sich schon zur Ruhe begeben hat.«
Der Kutscher sah nicht sonderlich überzeugt aus.
»Es ist nicht viel los auf den Straßen heute nacht, bei diesem Wetter und so. Ich könnte rüberfahren und warten, bis Sie die Sachen Ihrer Schwester geholt haben, und dann könnte ich Sie wieder zu Hause abliefern.«
»Oh, nein«, sagte Augusta beunruhigt. Sie tätschelte seine behandschuhte Hand. »Vielen Dank, das ist sehr liebenswürdig, Sir, aber das wird wirklich nicht nötig sein. Ich muß mich noch um ein paar andere Dinge für sie kümmern, was wahrscheinlich einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Etwas im Haushalt und so weiter.« Obwohl, dachte Augusta, auf jeden Fall müßte sie irgendwie nach Hause kommen, wenn sie erst einmal ihr Notizblatt aus Noahs Haus zurückgeholt hätte. »Aber vielleicht könnten Sie einfach in zwei Stunden zurückkommen? Ich sollte dann die Angelegenheiten meiner Schwester erledigt haben.«
Das schien das Gewissen des Mannes zu beruhigen, denn er nickte. »Also, in zwei Stunden.«
Augusta lächelte und dankte dem Mann, bevor sie sich die Kapuze überzog, um sich vor dem Regen zu schützen. Gleichzeitig würde diese sie ebensogut verbergen vor dem, der sie hätte sehen können.
Sie ging langsam zu dem Haus hinüber, von dem der Fahrer annehmen sollte, daß sie dort hinwollte. Er setzte sich langsam in Bewegung und beobachtete sie, sie winkte und tat so, als ob sie in ihrer Handtasche nach dem Schlüssel suchte, dann rüttelte sie sogar ein bißchen an der Türklinke. Dies weckte jedoch kurze Zeit später auch jemanden im Hause auf. Man konnte im oberen Stockwerk Kerzenlicht durchs Fenster sehen. Glücklicherweise zerstreute das Kerzenlicht auch die Sorgen des Kutschers um sie, er schnalzte seinen Pferden zu und machte sich auf den Weg.
Sobald der Kutscher um die Ecke verschwunden war, verschwand Augusta von der Tür und schlüpfte in eine kleine Nische nebenan. Hier wartete sie, als der Butler seinen kahlen Schädel herausstreckte, ihn verwirrt kratzte und sich wieder nach drinnen in die Wärme seines Bettes zurückzog. Augusta zögerte noch eine Weile, um sicherzugehen, daß niemand in der Nähe war, und machte sich dann auf zur Nummer zwanzig in der Charles Street, dem Heim von Lord Noah Edenhall von Devonbrook.
Die Fenster waren dunkel, als sie sich näherte. Das machte nichts. Sie war die vergangenen drei Nächte hierhergekommen und hatte den Ort bestens ausgekundschaftet. Wie es der Zufall wollte, war Charlotte im Rosengarten
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