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Eine Liebe zu sich selbst, die glücklich macht (German Edition)

Eine Liebe zu sich selbst, die glücklich macht (German Edition)

Titel: Eine Liebe zu sich selbst, die glücklich macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margarete Mitscherlich
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gegliederten und nur in den oberen Schichten wohlhabenden Gesellschaft. Sie war Vollwaise, konnte weder lesen noch schreiben und arbeitete in einem drittklassigen Gasthaus als Dienstmagd, wo sie mit Hilfe von Alkohol von einem Gast des Hauses, einem Goldschmiedelehrling, verführt oder auch vergewaltigt wird. Den Namen des Vaters ihres späteren Kindes kennt sie nicht. Im Laufe der vielen Monate des gegen sie geführten Prozesses hat niemand sich auch nur die geringste Mühe gemacht, herauszufinden, wer der Vater ihres Kindes war.
    Im Sommer 1771 war Margaretha Brandt ins, wie es heißt, »Gerede« gekommen. Mit den Worten, die in der Verhandlung immer wiederkehren: »Sie wäre die erste nicht«, wird sie schon vor dem Prozess zum Geständnis gedrängt, betont aber wiederholt ihre Unschuld. Unaufgeklärt, wie sie ist, glaubt offenbar auch ein Teil von ihr selber bis in die letzten Monate der Schwangerschaft, dass es sich um keine solche handelt, denn sie lässt sich, als ihre Schwester und ihre Wirtin sie verdächtigen, von einem Arzt untersuchen, der ihr merkwürdigerweise bestätigt, dass sie nicht schwanger sei, wobei es vom heutigen medizinischen Wissen her natürlich nicht mehr nachzuvollziehen ist, wie das möglich gewesen sein soll. Dennoch kündigt ihr die Wirtin kurzfristig am Tage der Niederkunft, und sie steht mittellos da. Erst als die Geburt einsetzt und sie das Kind am späten Abend in einem dunklen Nebengebäude der Wirtschaft, in der sie tätig ist, zur Welt bringt, ist ihr die Verleugnung ihres Zustands nicht mehr möglich. Sie ist buchstäblich von Gott und der Welt verlassen, niemandem wagt sie sich anzuvertrauen. Im Prozess sagt sie, sie habe ihr neugeborenes Kind getötet, um der Scham und dem Vorwurf der Leute zu entgehen.
    Ob sie am Tod des neugeborenen Kindes tatsächlich schuld ist, bleibt letztlich unklar, denn sie gesteht vieles, was sie gar nicht getan hat, aus Angst vor der Folter, wie sie ihrem Verteidiger später sagt. Es scheint sich um eine Sturzgeburt gehandelt zu haben, das Kind ist auf den Boden gefallen und kann sich dabei die Verletzung am Kopf zugezogen haben, die bei der Obduktion als Todesursache festgestellt wurde. Der Verteidiger, der Einzige, der sich anscheinend in die Situation Margaretha Brandts einzufühlen vermag und zu einem aufgeklärten Denken fähig ist, hält es für nicht erwiesen, dass der Tod des Kindes tatsächlich auf die Mithilfe Margaretha Brandts zurückzuführen ist. Nach der Geburt des Kindes, nachdem sie den Tod des Kindes realisiert hat, hinterlässt Margaretha Brandt viele Spuren des Geschehens, bevor sie aus Frankfurt nach Höchst flieht. Noch am selben Abend wird ein Haftbefehl gegen sie ausgestellt – ihre Schwester hat sie angezeigt, und der Steckbrief wird in der Stadt ausgetrommelt. Für diesen zeichnet der Schreiber Johann Heinrich Thym, der neun Jahre lang der Hauslehrer von Johann Wolfgang und Cornelia Goethe war. Am 3. August 1771 kehrt Margaretha Brandt reumütig nach Frankfurt zurück, wird von der Wache am Bockenheimer Tor festgenommen und in das Gefängnis im Turm der alten Katharinenpforte in unmittelbarer Nähe von Goethes Elternhaus gebracht. Teilabschriften aus dem Prozess gegen sie haben sich in Goethe’schem Besitz befunden. Margaretha Brandt ist wie Gretchen im Faust ein Opfer, das die Folgen der Verführung allein zu tragen hat; nach dem Mann, der ihre ausweglose Situation verursacht hat, wird, um es zu wiederholen, in diesem Prozess kein einziges Mal gefragt.
    Die Aufklärung hat das Leben von Margaretha Brandt nicht berührt. Sie, eine Analphabetin, kommt gar nicht auf den Gedanken, die gesellschaftlichen Vorurteile und ungerechten Verhältnisse in Frage zu stellen oder gar anzuklagen. Ihr Unwissen, die fehlende Einschätzung der Lage machen sie völlig unfähig, sich zu verteidigen. Auch den Veränderungen im eigenen Körper steht sie hilflos und unwissend gegenüber. So leugnet sie auch vor sich selber bis zuletzt, dass sie schwanger ist, und hält an dem Glauben fest, dass ihre Blutung nur deswegen ausgesetzt habe, weil sie sich über jemanden sehr geärgert hat. Sie ist davon überzeugt, dass sie in ihren Handlungen vom Teufel oder Heiligen Geist beeinflusst wird. Dass sie sich das Leben nehmen wollte, habe ihr der Teufel eingegeben, dagegen habe sie sich aber mit Erfolg gewehrt.
    Während der einfühlungslosen und grausamen Vernehmung wird ihr das tote, bereits sezierte, wieder ausgegrabene Kind vorgeführt, und sie

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