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Eine Liebe zu sich selbst, die glücklich macht (German Edition)

Eine Liebe zu sich selbst, die glücklich macht (German Edition)

Titel: Eine Liebe zu sich selbst, die glücklich macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margarete Mitscherlich
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Trennungsangst. Die Wochen kurz bevor die Eltern einmal im Jahr ihren Urlaub antraten, waren für mich immer schwer zu ertragen, besonders am Anfang, wenn der Abschied drohte.
    Wozu alle diese Beschreibungen? Ich weiß es selber nicht, vielleicht ergibt sich am Ende, was in ihnen an weiterführenden Erkenntnissen enthalten sein könnte.
    Ich hatte zum Beispiel immer Freundinnen, sogenannte Busenfreundinnen. Die erste Freundschaft begann schon vor der Schulzeit. Dieses Mädchen steckte mir eines Tages eine Schleife mit der Stecknadel in den Kopf, wie man es bei seiner Puppe tut. Ich fühlte mich ziemlich sadistisch behandelt, dennoch hilflos und konnte nur vorwurflos-gekränkt reagieren. Es fiel mir, so meine ich, ziemlich schwer, mich aggressiv zu wehren, obwohl mein Bruder sich noch lange – nicht ohne Amüsement – an meine plötzlichen, äußerst heftigen Wutanfälle erinnert, wenn er mich bis an die Grenzen des Erträglichen gequält hatte. Also so sanft und masochistisch, wie ich mich manchmal in Erinnerung habe, werde ich kaum gewesen sein, denn auch in der Schule hatte ich gelegentlich die denkbar schlechtesten Noten in Betragen.
    Meine sadistische Haarschleifenfreundin wurde mir nach einigen Jahren eher etwas langweilig, und ich verließ sie zugunsten einer anderen, die wiederum für lange Zeit meine beste, bewunderte Freundin blieb. Auch diese verließ ich später, um mich einer anderen, mir interessanter erscheinenden zuzuwenden. So treu und zuverlässig, wie ich mich selber sehen wollte, war ich also kaum. Wenn ich mich in Wut und Empörung von jemandem abwendete, war das oft für immer.
    Dennoch war es lange das Typische in meinen Beziehungen zu Freundinnen wie auch zu Lehrerinnen, dass ich sie bewunderte. Sie waren mir Vorbild, wie meine Mutter. Vaterfiguren zum Bewundern wurden natürlich auch gesucht, aber viel seltener gefunden als Frauen. Erst später habe ich erkannt, wie sehr ich auch Vaterimagines brauchte, um mein Selbstwertgefühl zu stabilisieren. Erst waren es die Väter meiner Freundinnen, die ich bewunderte und auf deren Frauen ich eher herabsah. Sie konnten sich mit meiner Mutter meinem Gefühl nach nicht messen. Eine Parteinahme für »Väter« gab es also auch. Offenbar entbehrte ich, mehr als ich wusste, einen Vater, zu dem ich aufsehen und der mir Sicherheit vermitteln konnte.
    Wenn ich später auf Männer stieß, die mir weniger zuverlässig und weniger zu altruistischer Zuwendung fähig zu sein schienen als Frauen, so blieb doch unübersehbar die Sehnsucht bestehen, Männer idealisieren und mich mit ihnen identifizieren zu können, auch wenn ich sie immer wieder auf die »Probe« stellen musste, was nicht selten zu Enttäuschungen führte.
    Jedenfalls war auch in meiner Familie das typische »Arrangement der Geschlechter« nicht zu übersehen. Die kleinen Kinder werden von der Mutter erzogen, der Vater ist draußen in der Gesellschaft bestimmend. Da allein die Mutter für die kleinen Kinder verantwortlich ist, verzeihen diese in ihrer Hilflosigkeit nie, wenn die Mutter in der Einfühlung ihnen gegenüber versagt. Der Vater, der, wenn überhaupt, erst später seinen Einfluss auf die Kindererziehung geltend macht, erweckt deshalb bei ihnen im Allgemeinen nicht die tiefe Animosität, die die Mutter zu spüren bekommt. Dafür ist allerdings die Zuneigung und Verbundenheit mit ihm auch oft oberflächlicher als in der Beziehung zur Mutter. So war das auch bei mir.
    Von der Mutter wird in der frühen Kindheit erwartet, dass sie, wenn sie nur will, alles verstehen und alle Wünsche erfüllen kann. Auch der erwachsene Mann erwartet von der Frau eine ähnliche Verstehensbereitschaft und Toleranz, bleibt aber wie das kleine Kind ihren Fehlern gegenüber oft ohne Verzeihensbereitschaft. Obwohl er nach außen mehr Macht besitzt als die Frau, liegt bei der doppelten Moral, die nach wie vor unsere Gesellschaft beherrscht, die Last der moralischen Verantwortung fast ausschließlich auf ihren Schultern.
    Mit Recht betont deshalb Dorothy Dinnerstein [110] , dass der Mann bei einem solchen Arrangement zu moralischer Faulheit geradezu aufgefordert wird und seine Reife und die Fähigkeit zur Einfühlung ähnlich infantil bleiben, wie die aktiven, kreativen und unternehmenden Eigenschaften der Frau verkümmern, wenn sie unterdrückt werden. Die untergründige, aber oft tiefgehende Wut, die diese Konstellation bei der Frau auslöst, bricht entweder mehr oder weniger hilflos durch, wie ich es an mir selber

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