Eine Liebe zu sich selbst, die glücklich macht (German Edition)
nationalbewusste Deutsche, bekam dann regelmäßig Migräne und musste den Tag im verdunkelten Zimmer verbringen.
Ich sprach beides, Deutsch und Dänisch, wie es dort oft der Fall war, und lieh mir, da ich schon früh gern und viel las, aus den beiden Bibliotheken dort, der deutschen und der dänischen, Bücher aus, um meinen Lesehunger zu befriedigen. Es war für mich als Kind mühsam, von zwei sich so konträr fühlenden Elternidentitäten bestimmt zu werden und sich darin sicher zu fühlen. Auf diese Situation – nämlich unentwegt mit zwei oft kontroversen Arten zu denken, zu fühlen und zu urteilen, konfrontiert zu sein – lässt sich, so meine ich, auch zurückführen, dass ich schließlich Psychoanalytikerin wurde. Ich hatte doch in meiner Kindheit vorwiegend zu gewärtigen, dass ich, kaum hatte ich mich mit einem Teil der Familie, deren Freunden und Freundinnen identifiziert, mit dem anderen Teil konfrontiert wurde, der oft andere, gegensätzliche Positionen vertrat.
Um dieser für ein Kind schwierigen Situationen zu begegnen, entwickelte ich frühzeitig zwei Eigenschaften: die Selbst- und die Fremdbeobachtung, die oft schmerzlich war und heftige kritische Züge annehmen konnte. Ich versuchte, genau hinzusehen, wollte immer die »Wahrheit« über Situationen und Menschen herausfinden. Auch wehrte ich mich gegen den dauernden Identitätswechsel durch oft übertriebene Identifikation mit den Freunden und Nahestehenden der Kindheit, insbesondere mit meiner Mutter, deren nationaldeutsche Einstellung ich für lange Zeit übernahm und die mir erst durch Hitler ausgetrieben wurde. Nun fiel es auch nicht besonders schwer, mit meiner Mutter übereinzustimmen, denn sie war in der Tat eine liebenswerte und warmherzige, zur Einfühlung fähige Frau. Auch war sie meist heiter, hatte so viele kindliche Seiten, dass sie sich unschwer in ihre Kinder einfühlen konnte und Spiele mit ihnen unternahm, die festlich überraschenden Charakter hatten.
Wir gingen zum Beispiel oft in dem nahe gelegenen Wald spazieren, wo wir in einem hohlen Baumstamm irgendeine Überraschung fanden. Im Wald wurden auch Kindergeburtstage gefeiert und abwechslungsreiche Spiele von meiner Mutter inszeniert. Zu Weihnachten, einem großen Fest, gab es genau die Geschenke, die man sich gewünscht hatte, und viele ähnliche mehr. Meine Mutter kannte auch meine Trennungsangst, fühlte sich in sie ein, fand meist Trost und Milderung dafür. Wenn ich krank war, las sie mir vor, wärmte im Winter die Bettdecke – nun, ich könnte noch vieles aufzählen, was ich an Positivem von ihr erfahren durfte.
Die Neigung, schon im frühen Kindesalter viel zu lesen, stammt wohl auch von ihr, ebenso stand das Bedürfnis nach körperlicher Bewegung vermutlich auf recht komplizierte Weise mit ihr im Zusammenhang. Sie hatte als Fünfjährige eine Knochentuberkulose durchgemacht, deren Folge ein verkürztes Bein, ein deformierter Fuß und ein versteiftes Fußgelenk waren. Die Bewegungseinschränkung, die sie erlitten hatte, nahm sie sehr mit. Später – und so kannte ich sie als kleines Mädchen – war sie trotz dieser Leiden erstaunlich bewegungsfreudig. Sie verleugnete – und ich mit ihr – diese körperlichen Behinderungen so weit wie möglich.
Aber konnte ich wirklich offen sein zu meiner Mutter? Ich durfte zum Beispiel um keinen Preis lügen. Zu lügen galt als eine unverzeihliche Sünde, was ziemlich bedrängend auf mich wirkte. Sexuelle Spiele mit den Kindern der Umgebung, überhaupt Regungen sexueller Art gehörten mit zum Schlimmsten, das ein Kind haben konnte, von der krankmachenden Wirkung solcher Spielereien wurde früh gesprochen. Meine Mutter bekam dann die mich so bedrückenden »traurigen Augen«. Ja, sie konnte einen schon sehr an sich binden. Meinem Vater durfte ich zwar, wenn möglich, zu guter Laune verhelfen, denn er war nicht selten überlastet und verstimmt. Aber seine Liebe sollte doch eigentlich ihr allein gehören. Mein Vater konnte sich eindeutiger als sie auf meine Seite stellen, beispielsweise wenn ich Schwierigkeiten mit Lehrern und Lehrerinnen hatte. Ich war ihm dankbar dafür, hatte allerdings im Geheimen das Gefühl, dass es ihm an kritischem Überblick auch mir gegenüber eher fehlte. Trotzdem hat mir das offenbar wohler getan, als es mir damals bewusst war, denn ich habe diese Haltung später auch eingenommen, wenn es um mein Kind ging.
Meine Mutter aber war die Bestimmende in dem Haus mit den aus den zwei Ehen meines Vaters
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