Eine Luege ist nicht genug
sein Glas.
»Bitte lassen Sie Mr Prince wissen, dass ich im Motel am Highway wohne«, sagte Branff. »Sie kennen es?«
»Sí« , sagte Candy, und mir fiel auf, dass er keines seiner Plastiklächeln an Branff verschwendete.
»Zimmer 112 «, fügte Branff hinzu.
»Sí, señor. Muchas gracias.«
Branff blickte Candy stirnrunzelnd an und verließ das Zimmer, ohne mir Auf Wiedersehen zu sagen. Und ich hatte doch gedacht, wir stünden am Beginn einer wunderbaren Freundschaft.
»W ollen Sie, dass ich den mit in die Küche nehme?«, fragte mich ein junges Dienstmädchen und deutete auf meinen leeren Frühstücksteller.
»Nein, danke schön. Ich mach das schon.«
Sie lächelte, und ich lächelte und ließ sie ihre Drecksarbeit machen, wobei ich mich wieder fragte, wie das ist, wenn man hinter Kindern herräumen muss und nicht ihre Mutter ist.
Und ich fragte mich auch, woher Candy wusste, ohne vorher gefragt zu haben, dass Branff Gimlets trank.
Neuntes Kapitel
Nachdem Hamilton im Salon den Godzilla gespielt hatte, blieb er verschwunden, und ich hatte keine Lust, den ganzen Tag das Haus nach ihm abzusuchen. Olivias Braunwasser-Schlauchboot-Rennen interessierte mich mehr. Durch das, was Branff gesagt hatte, wusste ich, dass die Familie Prince die Stadt Denmark wegen der Umweltgeschichte an der Nase herumführte. Nun hatte ich keineswegs die Absicht, mit einem Schlauchboot den schmuddeligen Fluss hinabzufahren, doch ich dachte mir, ich könnte mit meinem Auftritt zur moralischen Unterstützung beitragen. Außerdem wusste ich, dass mir das Punkte bei Olivia einbringen würde. Ich fand es gar nicht gut von mir, mich so berechnend anzudienen, aber sie war ein Mädchen, bei dem man gerne Punkte auf dem Konto hatte, nur für den Fall.
Ich wusste nicht so recht, was ich von Claudes Enthüllungen halten sollte. Ich sah jetzt, dass Hamilton recht hatte: Claude ärgerte sich über seinen Bruder und beneidete ihn um seinen Erfolg. Aber dieser Ärger bedeutete nicht unbedingt, dass er ihn ermordet hatte – er bedeutete nur, dass er über den Tod seines Bruders nicht traurig war.
Auf dem Beifahrersitz strich ich Olivias zerknäultes Flugblatt wieder glatt und bog nach links in Richtung Fluss ab. Draußen war es heute Vormittag um halb zwölf schon rund dreißig Grad warm, und die Luft war dermaßen schwer vor Feuchtigkeit, dass ich schon überlegte, die Scheibenwischer einzuschalten. Ich stellte die Klimaanlage auf volle Pulle und hörte, wie mein alter Volvo Baujahr 1986 vor Anstrengung keuchte. Mein Wagen war groß, kastenförmig und weiß, älter als ich und über drei Schwestern an mich weitergereicht worden. Ich mochte ihn, als wäre er eine von ihnen.
Als ich zu der Stelle kam, wo das Schlauchbootrennen losgehen sollte, dachte ich, ich hätte mich verfahren. An der Straße über dem Fluss waren nur wenige Autos abgestellt, doch ich entdeckte Olivias Jeep im Gestrüpp versteckt, und dann fand ich einen sicheren Platz, wo ich mit dem Volvo vor Anker gehen konnte. Als ich ausstieg, fing ich schlagartig an zu schwitzen, und der steile Abstieg zum Flussufer machte es noch schlimmer. Dazu kam der überwältigende Gestank der Verschmutzung, und die Luft war so schwer, dass ich das Gefühl hatte, ich würde den Fluss trinken. Der einzige Ort mit so hoher Luftfeuchtigkeit, den ich kannte, war St. Louis, wo ich letzten Sommer meinen Vater besucht hatte. Aber wenigstens hatte dort die Luftbrühe nur nach Asphalt und Motoröl geschmeckt.
Olivia unterhielt sich auf einem schmalen Uferstreifen neben dem schokoladenfarbenen Fluss mit einem Mann und einer Frau. Ein paar große gelbe Schlauchboote, in denen sich sonst Touristen die Flüsse runtertreiben lassen, lagen im Gras unter einem Draht mit kleinen bunten Wimpeln und einem Schild, auf dem stand: »Erstes jährliches Braunwasser-Schlauchboot-Rennen.« Olivia sah mich kommen und beendete das Gespräch mit den beiden anderen. Die gaben ihr die Hand und nickten mir grüßend zu, als sie gingen.
»Braunwasser-Rennfahrer?«, fragte ich Olivia.
»Freunde aus der Stadt. Die wenigen, die mich tatsächlich dabei unterstützen, dass der Fluss sauber wird.«
Nach dem eng anliegenden Shirt zu urteilen und danach, wie ihre Haare im Nacken angeklatscht waren, sah es so aus, als ob Olivia schon länger hier draußen war. Zumindest half meine Baseballkappe, die Dinge unter Kontrolle zu halten.
Ich deutete mit dem Kopf auf ihr Braunwasser-Schlauchboot-Schild. »Du weißt ja wohl, dass man
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