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Eine Luege ist nicht genug

Titel: Eine Luege ist nicht genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Gratz
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bleiben sollen. Ich hätte wieder in die Küche gehen, fertig frühstücken und Hamilton zur Abwechslung mal für sich selbst verantwortlich sein lassen können. Wer war ich denn eigentlich? Sein bester Freund oder sein Babysitter?
    Ich trat gegen eine Wurzel, die über den Pfad wuchs. Verdammt, ich war sein bester Freund, und ich folgte ihm in den Wald. Hamilton und seine Mom gingen voraus. Und ich blieb nahe genug, um zuzuhören, doch weit genug weg, um nicht in das Gespräch mit einbezogen zu werden.
    »Hamilton, du hast deinen Stiefvater beleidigt«, sagte Mrs Prince zu ihm.
    »Na, und du hast meinen richtigen Vater beleidigt.«
    »W arum muss denn alles, was du in diesen Tagen sagst, so schlau sein?«
    »Hättest du lieber, ich sag was Dummes?«
    »Ich hätte lieber, du sagst überhaupt nichts, wenn du so ekelhaft bist.«
    »Und ich hätte lieber, du hättest gar nichts gesagt, als dich Claude gefragt hat, ob du ihn heiraten willst.« Hamilton zögerte. »Ich meine, was hast du dir dabei eigentlich gedacht?«
    »Ich habe gedacht, dass ich ihn liebe, Hamilton.«
    »Nein … sag das nicht«, stieß er aus. »Sag, dass du einsam warst. Sag, dass du einen Ersatzmann gebraucht hast oder was du sonst sagen kannst, um das vernünftig zu begründen. Aber sag nicht, dass du verliebt bist. Nicht in ihn. Nicht in Claude.«
    Mrs Prince hob die Stimme. »W arum hasst du deinen Onkel so sehr?«
    »Du weißt ja gar nicht, wie sehr er Dad gehasst hat. Wie eifersüchtig er war. Du weißt nicht, was er ihm angetan hat, aber ich weiß es.«
    » › Was er ihm angetan hat‹?«, wiederholte Mrs Prince. »Hat das etwas mit der lächerlichen Sache im Programmheft gestern Abend zu tun? Hast du das geschrieben?«
    Hoppla. Ich hatte nicht bedacht, dass jeder, der die Botschaft nicht verstand, wissen wollte, was es damit auf sich hatte.
    »Claude wollte alles, was Dad hatte, verstehst du das nicht?«, sagte Hamilton. »Er wollte die Papierfabrik. Er wollte Anerkennung. Er wollte dich. Aber der einzige Weg, irgendetwas davon an sich zu bringen, war, meinen Vater zu töten.«
    Mrs Prince zuckte zurück. »Hamilton! Hör dir mal selbst zu. Hör dir mal selbst zu, was du da sagst!«
    »Hörst du denn zu? Du hast den Kerl geheiratet, der deinen Mann umgebracht hat!«
    Mrs Prince drehte sich um und ging an mir vorbei zurück Richtung Haus. Ich befand mich plötzlich buchstäblich in der Mitte und tat so, als würde ich ganz intensiv einen Zweig am Boden betrachten.
    »Geh jetzt nicht von mir fort«, sagte Hamilton zu ihr.
    Mrs Prince ging weiter.
    »Ich hab gesagt, geh nicht von mir fort!«, schrie Hamilton gellend. Es war barbarisch und übertrieben, und mir sträubten sich die Haare auf den Armen. Ich konnte sehen, dass es auch seine Wirkung auf Mrs Prince nicht verfehlt hatte. Sie erstarrte, dann drehte sie sich langsam um.
    »Oder was? Erschießt du mich dann? Hasst du mich so sehr?«
    Schneller, als ich denken, mich ducken oder schreien konnte, riss Hamilton das Gewehr an die Schulter und zog den Drücker. Die Luft explodierte. Mrs Prince fiel zu Boden.
    »Hamilton, was zum Teufel …« Dann sah ich jemand hinter Hamiltons Mutter, einen Mann im grell orangefarbenen Tarnanzug. Er schwankte, als hätte man ihm gegen die Brust geschlagen, dann fiel er wie tot nach hinten um.
    Hamilton hatte nicht seine Mutter erschossen, sondern Claude Prince.
    Mrs Prince hockte ein Stückchen entfernt da und hielt die Hände an den Kopf gepresst. Hamilton stand starr vor Schreck, das Gewehr immer noch an der Schulter. Ich stieß es nach unten, sodass es auf den Boden zeigte, und eilte zu Claude.
    Doch erst als ich dort war, sah ich, dass es nicht Claude Prince war. Es war Paul Mendelsohn, der Justiziar der Familie. Er starrte in den Himmel, als könnte er um alles in der Welt nicht begreifen, warum er an einem schwülheißen Samstagmorgen hier im Wald lag. Er trug, wie ich nach Hamiltons Beschreibung vermutete, Claudes Jagdweste. Sie war einmal orange gewesen, doch nun breitete sich ein dunkler schwarzroter Fleck aus seiner Brust herauf.
    »Mr Mendelsohn?«, fragte ich. »Können Sie mich hören?«
    »Ich bin … ich bin nur gekommen, um Mrs Prince ein paar Papiere unterschreiben …«, murmelte er.
    Jetzt sah ich das Päckchen Papier in seiner Hand, nahm es und legte es zur Seite. Dann riss ich die Weste auf und sah, wo das Blut herkam – gleich oberhalb von seinem Herz.
    Offensichtlich war die Jagdtsaison auf Juristen eröffnet.
    Ich riss mir meine

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