Eine magische Begegnung
Lili therapiert ihn.”
“Zu Fluffy kommen wir später, wenn wir mit dem Vorstellen fertig sind”, sagte Roscoe zu Erika. “Lass ihre Hand los, Chester”, befahl er dann. “Und das hier ist – last, but not least – Professor Hiram Battle.”
Der große, dürre Mann schüttelte Lilis Hand so energisch, dass sie fast ihre eigenen Zähne klappern hören konnte. “Freut mich”, sagte er.
“Ganz meinerseits. Sind Sie Professor drüben am College?”
“An der Universität.” Er fuhr sich durch sein stahlgraues Haar. “Ein College wäre ja entweder eine Fachschule oder eine Vorbereitung für die Universität.”
Übersetzung: etwas von weit niedrigerem Niveau.
Lili beschloss, nicht zu erwähnen, dass sie weder ein College noch eine Uni besucht hatte. Beides war in ihrem Lebensplan nicht vorgesehen. Obwohl sie ja eigentlich gar keinen richtigen Plan hatte. “Erika hat erzählt, dass Sie ein Buch geschrieben haben. Wie beeindruckend.”
“Es ist ein Roman und gilt als Pflichtlektüre für angehende Akademiker.”
“Das ist toll.” Lili ging – um vor dem Professor nur nichts Falsches zu sagen – zur Couch, auf der Erika saß. “Es war wahnsinnig nett, Sie alle kennenzulernen, aber ich möchte Sie nicht weiter aufhalten. Ich möchte mir jetzt Fluffy anschauen. Es geht ihm nicht besonders gut.”
“Das liegt daran, dass er eines von Roscoes Wiener Würstchen vom Tisch geklaut hat. Ich hab's gesehen”, sagte Linwood. “Dann hat er seine Beute wie ein Räuber hinter die Couch geschleppt.”
“Unsinn, Linwood. Er hatte sich schon hinter der Couch verkrochen, als ich den Tisch fürs Kartenspielen aufgestellt habe. Und das war, bevor ich die Würstchen gebracht habe.”
“Dann muss es wohl eine Ratte gewesen sein. Es war ein langes graues Ding. Sag deinem Sohn, er soll zusehen, dass er die Ratten loswird, Roscoe. Ich hasse Ratten.”
Oops, es war keine Ratte gewesen. Sondern Einstein. Böse Katze.
Nun mischte sich Chester ein. “Stinktiere sind viel schlimmer. Habt ihr schon einmal erlebt, wie es riecht, wenn eines vor eurem Fenster einen fahren lässt? Da vergeht einem Hören und Sehen.”
Linwood schnaubte. “Du siehst ohnehin schon nicht mehr sehr gut.”
“Es ist eine Redewendung, du alter Sesselpupser.”
“In diesem Haus gibt es keine Ratten”, sagte Roscoe energisch.
“Meine Herren, spielen wir nun Karten, oder wollt ihr die ganze Nacht so weitermachen?” Hiram nahm auf einem der Klappstühle Platz, wobei er aufgrund seiner Größe mit den Knien fast den Tisch umstieß. Dann schnappte er sich ein Würstchen und schob es rasch in den Mund.
“Du gibst, Hiram.” Roscoe mischte die Karten und schob ihm den Stoß zu. Die Zahlen und Symbole auf den Karten waren – möglicherweise aus Rücksicht auf Linwoods grauen Star – übergroß. “Ich hole unsere restlichen Snacks aus der Küche, bevor sie im Herd verbrennen.”
“Du hast doch nicht wieder diese komischen Tacos gemacht, oder? Von denen habe ich letztes Mal Dünnpfiff gekriegt.”
Roscoe breitete empört die Arme aus. “Ich bitte dich, Linwood, es sind Damen anwesend. Wir reden in Gegenwart von Damen nicht von Dünnpfiff.”
Lili ließ sich neben Erika auf die Couch fallen. “Sind die immer so?”, fragte sie leise.
“Meistens, ja. Dad jedenfalls hat merkwürdigerweise immer dann ein Date, wenn Roscoe seinen Spieleabend hat.”
Lili konnte gut nachvollziehen, warum. Die vier alten Herren würden Tanner in den Wahnsinn treiben. Sie selbst allerdings fand ihr Geplänkel ganz amüsant. Solange sie sich so lebhaft zankten, waren sie wohlauf.
“So, jetzt kümmern wir uns um Fluffy.”
Sie schaute über die Rückenlehne der Couch auf den Boden, wo der Kater sich in einer Ecke verkrochen hatte und nun laut knurrte. In der anderen Ecke leckte Einstein sich das Mäulchen – wohl um den letzten Rest Wiener Würstchen aus ihrem Schnurrbart zu bekommen. Zwischen ihnen lagen jede Menge Staubmäuse und ein Buch, das hinter die Couch gerutscht sein musste.
Lili schickte Einstein ein Fragezeichen. Einstein schickte es zurück. Was bedeutete, dass die beiden Katzen nicht jene ergiebige Unterhaltung führten, die Lili sich erhofft hatte. Dann zog Einstein seine Lippen nach hinten und nieste – mit dem Effekt, dass ein Großteil die Staubmäuse Fluffy direkt ins Gesicht wehte.
Fluffy knurrte lauter.
“Wie sieht seine Aura aus?”, fragte Erika.
“Wieder dunkler”, sagte Lili. “Er hatte offensichtlich einen Rückfall.
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