Eine magische Begegnung
Hände wieder in die Hosentaschen. “Erika macht es sicher auch nichts aus.”
Leider begründete er das nicht damit, dass seine Tochter die besagte Dame ohnehin nie kennengelernt hatte. Das hätte es Lili nämlich leichter gemacht, die Sprache auf Erika und ihre Sicht der Dinge zu bringen, was “Klugscheißer” und die Frauen betraf, mit denen Tanner sich traf.
Gib's auf.
Lili war nahe dran, wirklich die Hände in die Luft zu strecken und sich zu ergeben, wie in dem Bild, das Einstein ihr gerade schickte.
Die Katze hatte recht. Lili wusste nicht, ob sie mit der Sprache herausrücken sollte. Sie hatte schließlich keine eigenen Kinder, daher könnte es wirklich anmaßend wirken, wenn sie sich einmischte. Sie hatte nicht einmal Neffen oder Nichten. Mehr noch: Sie beschränkte sich auf das Reden mit Tieren. Das konnte sie – zumindest größtenteils – ganz gut. Obwohl sie bei Fluffy jämmerlich versagt hatte. Wenn sie es sich recht überlegte, hatte sie bei der ganzen Familie Rutland jämmerlich versagt.
Lili legte ihre Arme um einen Verandapfeiler. “Ich bin froh, wenn es ihr nichts ausmacht”, sagte sie. “Sie scheint ein robustes kleines Mädchen zu sein.”
“Das ist sie.”
“Und ich sehe, wie stolz Sie auf sie sind.”
Tanner lächelte. “Merkt man das?”
Lili strahlte ihn an. “Man merkt es.”
Erika kam für ihn an allererster Stelle. Und das war der Grund, warum er sie seinen Damenbekanntschaften nicht vorstellte. Tanner wollte nicht, dass Erika eine Beziehung zu jemandem aufbaute, der in absehbarer Zeit wieder aus ihrem Leben verschwinden würde. Er hatte keinerlei Absichten, wieder zu heiraten, und deshalb wäre es unfair, dass sich seine Tochter an eine Frau gewöhnte, die nur ein kurzes Gastspiel hatte.
Tanners Date mit Anna war eine Katastrophe gewesen. Nach dem Essen in einem netten Restaurant am Hafen waren sie zu Anna nach Hause gefahren, wo sie ihm dann vor der Tür den Laufpass gegeben hatte. Statt in seinem männlichen Stolz gekränkt zu sein, hatte er sich einfach nur erleichtert gefühlt. Was hauptsächlich darauf zurückzuführen war, dass er den ganzen Abend an Lili gedacht hatte.
“Also, es geht um Folgendes …” Lili umarmte ihren Verandapfeiler fester – so als wollte sie etwas Wichtiges sagen und brächte es einfach nicht heraus. Tanner traute seinen Augen kaum. Sogar sie selbst behauptete ja von sich, dass sie meistens redete, ohne vorher nachzudenken.
“Raus damit, Lili.”
Sie seufzte. “Hat Erika je mit Ihnen darüber geredet, dass sie gern eine neue Mutter hätte?”
Er wich einen Schritt zurück und wäre fast rücklings über die Verandatreppe gestolpert. “Nein.”
Das war ganz sicher nicht alles gewesen, was Lili zu diesem Thema zu sagen hatte. Und er wollte ganz bestimmt nicht mehr davon hören. Dennoch redete er weiter. “Oh, aber für uns ist es ganz nett so, wie es eben ist.”
“Ja, davon bin ich überzeugt.” Doch sie war nicht wirklich überzeugt davon, denn sie flüsterte: “Schon wieder dieses Wort.”
“Welches Wort?”
“Dieses 'nett'. Es ist …” Sie ließ den Verandapfeiler los und suchte händeringend nach einem passenden Wort. “Es ist so nichtssagend. Wie wenn jemand, den man lange nicht gesehen hat, fragt, wie es einem geht, und man sagt: 'Ganz gut, danke'. Es sagt rein gar nichts aus.”
“'Nett' ist ein ganz normales Wort.”
Sie zog den Kopf ein, weil er eben ziemlich barsch geklungen hatte. “Ich wollte Sie nicht kränken.”
“Ich bin nicht gekränkt.” Vielmehr hatte das, was Lili angesprochen hatte, plötzliche Schuldgefühle in ihm ausgelöst. Er fand es vielleicht ganz nett, so wie es war – aber hatte er sich jemals die Mühe gemacht, Erika zu fragen, wie es ihr ging? Zwar würde er niemals heiraten, damit sie eine neue Mutter bekam, doch er hatte nie hinterfragt, ob seine Tochter glücklich mit der derzeitigen Familiensituation war. “Darüber habe ich noch nie nachgedacht.” Plötzlich fühlte er sich wie ein verdammt schlechter Vater.
“Entschuldigen Sie bitte, ich werde nicht mehr darüber reden.” Lili biss sich auf die Lippen. “Es geht mich außerdem wirklich nichts an. Ich habe ja keine eigenen Kinder und auch keine Ahnung, wie man sie am besten großzieht. Bitte sagen Sie mir, dass ich zu plappern aufhören soll. Ich habe Ihnen ja schon gesagt, dass ich dazu neige, wenn ich nervös bin.”
Genau genommen tat sie es die ganze Zeit – doch ihr Plappern war nicht der Grund, warum er ihr
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