Eine magische Begegnung
Wäre Buddy fünf Minuten später aufgetaucht, hätte er sie in der Horizontalen vorgefunden.
Tanner hatte seit dem Moment, als sie vornübergebeugt im weichen Gras gekniet hatte, keinen allzu klaren Gedanken mehr fassen können.
“Tja, aber jetzt hat sie Angst. Also nimm das verdammte Gewehr runter.”
Buddy hielt die Flinte in die Luft und drückte ab. Statt eines Knalls war nur ein leises Klicken zu hören. Das Gewehr war nicht geladen.
“Diese verdammten Bussarde.” Buddy spuckte wieder ins Gras.
Lili schüttelte sich hinter Tanners Rücken. “Bah.”
Tanner sah Buddy scharf an. “
Das
war jetzt aber nicht sehr nett.”
Buddy glaubte offensichtlich, Tanner habe den furchterregenden “Schuss” gemeint. “Nächstes Mal ist die Flinte geladen, und dann schieße ich auf lästige Vögel der menschlichen Gattung.” Damit schulterte er sein Gewehr, drehte sich um und marschierte davon.
“Ich dachte immer, diesen sagenumwobenen Buddy gibt es in Wirklichkeit gar nicht.” Lili kam hinter Tanners Rücken hervor und stellte sich neben ihn. Sie hatte immer noch eine Hand auf seiner Schulter.
Er legte den Arm um sie. “Alles okay?”
Sie sah ihn verschmitzt an. “Es geht.” Sie schlug sich die Hand vor den Mund. “Oops, ich meine natürlich, es geht mir fantastisch.”
Tanner drehte sich zu ihr. Lilis Hand rutschte seinen Rücken hinunter. Er wollte nicht, dass sie ihn losließ. “Ich habe vorhin ein wenig die Beherrschung verloren …”
Sie legte ihm einen Finger auf die Lippen. Tanner spürte den Drang, ihn sofort zärtlich in den Mund zu nehmen.
“Mir hat dein Kuss gefallen. Sehr sogar. Also entschuldige dich bitte nicht dafür, okay?”
Ihre Lippen waren vom Küssen noch sichtlich gut durchblutet. Er war sich relativ sicher, dass ihre immer noch vergrößerten Pupillen nicht von der Angst vor Buddy herrührten. Und er war sich sogar verdammt sicher, dass ihre harten Brustwarzen keine Reaktion auf irgendetwas Schlimmes waren. Er strich ihr das Haar, das er vorhin arg zerzaust hatte, aus dem Gesicht.
“Du”, sagte er und seufzte, “hast etwas an dir, das mich völlig vergessen lässt, wer ich bin und was von mir erwartet wird.”
Sie schmiegte ihre Wange in seine Hand. “So geht es mir auch.” Dann hob sie plötzlich den Kopf und sah ihn an. “Tanner, hat er
Bussarde
gesagt?” Sie schaute zum Himmel. “O mein Gott, da sind tatsächlich Bussarde!”
Tanner hob erst langsam den Kopf – so langsam, dass er seine Nackenwirbel leise knacken hörte – und beugte dann seinen Oberkörper nach hinten. Und sah tatsächlich einen Schwarm Bussarde über dem Wald kreisen. Er spürte, wie ihm leicht flau im Magen wurde. “Es könnte irgendein Tier sein.”
Aber Lili wusste, dass er nicht wirklich daran glaubte. “Wie lang sind diese Vögel denn schon hier?”, flüsterte sie.
“Keine Ahnung.” Bussarde waren das Allererste, wonach er Ausschau hätte halten sollen. Wenn er Lili wirklich geglaubt hätte.
Es waren nur drei, aber es waren eindeutig Bussarde. Weder Krähen, noch Blauhäher oder Spatzen. Plötzlich raste einer der Bussarde im Sturzflug senkrecht nach unten.
Nun wurde es Tanner richtig flau im Magen.
“Geh
du
nachschauen”, sagte Lili und gab ihm einen kleinen Schubs.
Er wäre ohnehin nie auf die Idee gekommen, sie mitzunehmen. “Kommst du allein hier klar?”
Sie nickte. “Besser, als wenn ich mitgehe.”
Er vergewisserte sich mit einem kurzen Blick über die Schulter, dass Buddy Welch bereits weit weg auf der anderen Seite der Wiese war. “Ich bin bald wieder da. Aber sollte Buddy zurückkommen, schreist du, was das Zeug hält.”
“Okay.”
Er sah sich die Greifvögel noch einmal genau an. Vom Boden aus war es schwer abzuschätzen, wie weit entfernt ihre Beute war. Dann ging er in den Wald hinein. Es war kühl und dunkel, und der Boden war feucht. Tanner sah sich um, ob es irgendwo im Unterholz eine Art Weg gab. Ohne Erfolg. Also bahnte er sich seinen eigenen Weg. Zwischendurch versuchte er, zwischen den dichten Wipfeln einen Blick auf den Himmel und die Vögel zu erhaschen, um die richtige Richtung beizubehalten.
Löwen, Tiger und Bären.
Er musste lächeln, als er an die kleine Dorothy aus dem “Zauberer von Oz” dachte, die mit der Vogelscheuche und dem Zinnmann in den Wald gegangen war. Das Musical war Erikas Lieblingsfilm gewesen, bis sie dann “Napoleon Dynamite” gesehen hatte. Er musste zugeben, dass er nie verstanden hatte, wie sich ihr Geschmack
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