Eine magische Begegnung
den Augen hätte …
“Sie müssen beiden helfen, Lili. Erika hat Sie sehr gern.”
“Sie kennt mich doch kaum.”
“Kinder brauchen nicht sehr lange, um jemanden ins Herz zu schließen. Und Tanner ist dermaßen von Ihnen hingerissen, dass er kaum einen klaren Gedanken fassen kann.”
“Hingerissen?”
“Ja. Der Junge steht so sehr auf Sie, dass Sie ihn jederzeit um den kleinen Finger wickeln und ihn dazu bringen könnten, alles für Sie zu tun.”
“Roscoe!”
“Aber es ist die Wahrheit. Sie müssen es ausnützen und meiner Enkelin helfen.”
“Sie schlagen vor, dass ich Ihren Sohn verführe, um Erika zu helfen?”
“Ich schlage vor, dass Sie ihn heiraten.”
Nun hatte sie tatsächlich die Spitzen ihrer beiden längsten Fingernägel mitgerieben. Verdammt, sie würde mit dem Käse wieder von vorn anfangen müssen.
“Ich glaube, Sie tun Tanner unrecht, wenn Sie behaupten, seine Tochter käme emotional zu kurz.”
“Nein, ich versuche lediglich, dieser Familie das zu geben, was ihr fehlt.” Er tippte ihr mit dem Finger liebevoll auf die Nase. “Und das sind Sie.”
Lilis Herz klopfte wie wild, und in ihrem Kopf drehte sich alles. Ob Erika wirklich Probleme hatte, wusste sie nicht mehr so genau. Doch was sie sehr wohl wusste, war, dass Tanner Rutland – wie anscheinend überhaupt die meisten Männer – ein lösungsorientierter Mann war. Doch wenn er von der Lösung erfuhr, die Roscoe vorschwebte, bekäme er auf der Stelle einen Herzinfarkt, von dem er sich möglicherweise nie mehr erholen würde.
Tanner hatte sich nicht einverstanden erklärt, Lili zu heiraten oder mit ihr auszugehen, aber er hatte zugestimmt, dass Erika mehr Zeit mit ihr verbringen durfte.
Während des Gesprächs mit seiner Tochter war es ihm vorgekommen, als stünde er auf einem riesigen Ameisenhügel. Beim Abendessen hatte er dann das Gefühl gehabt, er sitze darauf.
Danach war Lili nach Hause gegangen, und Tanner hatte Erika mit dem Kater nach draußen zum Spielen geschickt, während er und Roscoe die Küche aufräumten. Das Kind brauchte mehr frische Luft. Es brauchte überhaupt etwas, aber Tanner hatte keine Ahnung, was zum Teufel es war. Der Sheriff und seine Leute waren da gewesen und wieder gegangen. Sie hatten außer der beschädigten Tür nichts Verdächtiges gefunden. Laut Lili wurde diese Tür von ihr selten benutzt – sie diente nur als Katzentür –, und an der Außenseite hatte man keinen einzigen Fingerabdruck gefunden. Und auch an der Innenseite, wo zumindest eine paar Abdrücke sein müssten, hatte man nichts entdeckt.
Jemand hatte sich die Mühe gemacht, die Tür abzuwischen.
Es war kein primitiver Einbruch gewesen. Und genau das machte Tanner Angst. Mehr Angst als das komische Gefühl, auf einem Ameisenhügel zu sitzen.
“Du kannst Lili doch nicht ganz allein die Katzen füttern lassen. Sie könnte ermordet werden, ehe sie überhaupt die Chance hat, um Hilfe zu rufen.”
“Es geht ihr gut, Roscoe.” Doch bei der Vorstellung, was Lili passieren könnte, lief Tanner ein kalter Schauer über den Rücken. Er stellte den letzten Teller in die Spülmaschine und legte einen Tabs ein.
“Sie könnte auch vergewaltigt werden.” Roscoe schüttelte sich theatralisch. “Dir ist hoffentlich klar, dass du sie nicht allein da drüben schlafen lassen kannst.”
Tanner sah Roscoe entgeistert an. “Was? Du erwartest von mir, dass ich mich mit meinem Schwert in der Hand vor ihr Bett lege und die Angreifer abwehre?”
Zum Teufel, genau danach war ihm. Nur sinngemäß natürlich.
Roscoe hob eine Augenbraue. “Eigentlich dachte ich eher daran, dass sie die Nacht hier im Gästezimmer verbringt.”
“Oh. Oh, natürlich! Genau das Gleiche habe ich mir auch gedacht.”
Dass Lili im Zimmer neben seiner Tochter übernachtete, war nicht gerade das, was ihm vorgeschwebt hatte. Falls sie neben Erika schlief, falls sie überhaupt über Nacht hier im Haus blieb, war sie tabu für ihn. Doch trotz all seiner guten Vorsätze wurde Tanner das Bild von Lili, wie sie nackt in seinem Bett lag, nicht los. Oder in ihrem Bett. Oder auf dem Teppich im Wohnzimmer, in der Badewanne, auf dem Wohnzimmertisch oder wo auch immer er mit ihr schlafen konnte. Er bekam das Bild nicht mehr aus dem Kopf, wie sie ihn mit ihrem Mund verwöhnt hatte. Allein bei der Erinnerung daran begann das Blut heftiger in seinen Adern zu pulsieren.
Man hätte meinen sollen, dass die Erwähnung des Wortes “Heirat” diese Gedanken sofort weggeblasen
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