Eine magische Begegnung
hätte. Zu dumm, dass dem nicht so war.
“Wenn du nicht rübergehst und sie holst, mein Sohn, dann gehe eben ich.” Roscoe zog das große Fleischmesser aus dem Messerblock. “Das nehme ich für alle Fälle mit.”
“Die Chance ist größer, dass du sie versehentlich damit erstichst. Oder dich selbst. Gib das Ding her.” Er schob das Messer zurück in den Block. “Warum beziehst du nicht einfach das Gästebett frisch?”
“Ich weiß nicht, darin hat doch seit ewigen Zeiten niemand mehr geschlafen.”
“Genau aus diesem Grund könnte frische Bettwäsche nicht schaden.”
Die Wahrheit war, dass er niemals vorgehabt hatte, Lili allein in ihrem Haus bleiben zu lassen. Gestern hatte sie eine Leiche gefunden. Seit heute wusste die ganze Stadt, dass ihr ein Kater von einem Mord berichtet hatte. Und nun war auch noch in ihr Haus eingebrochen worden. Man musste kein Genie sein, um zu erkennen, dass Lili eventuell in Gefahr sein könnte.
Man musste auch kein Genie sein, um zu merken, dass das, was er von Lili wollte, viel komplizierter war als nur Sex. Und viel gefährlicher als die paar Dates, die seine Tochter vorgeschlagen hatte.
Lili stand an der Spüle und wusch die Fressnäpfe der Katzen ab. Tanner, der sie durch das Moskitonetz der Küchentür beobachtete, war überrascht, dass sie sich nicht eingesperrt hatte. Den dicken Pulli hatte sie längst ausgezogen, da es tagsüber deutlich wärmer geworden war, und sie trug ein langärmeliges, weit ausgeschnittenes Hemd.
Beim Abendessen war ihm aufgefallen, wie sehr dieses enge Oberteil ihre Brüste betonte. Und ja, er hatte seine Augen nicht von ihr abwenden können. Ein allzu üppiger Busen hätte gar nicht zu ihrer schlanken Figur gepasst. Auf Busen war er ohnehin nie besonders abgefahren. Er stand auf schöne Beine, und Lili hatte wunderschöne lange Beine, von denen er sich sehnsüchtig wünschte, dass sie sich wieder um ihn schlangen.
Er klopfte. Lili machte einen Satz, und eine Katzenschüssel fiel klirrend in die Spüle. Eine weitere kullerte über den Boden.
Tanner trat ein und schnappte die Schüssel, bevor sie unter den Küchentisch rollen konnte.
“Du hast mich erschreckt.”
“Das habe ich gemerkt.”
Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht. “Ich muss dir etwas sagen.”
“Immer bist du als Erste dran. Diesmal fange ich an.”
“In Ordnung.” Es klang fast erfreut.
“Ich habe mit Erika über unseren Plan geredet.”
Lili schaute nach rechts, dann nach links und biss sich auf die Lippen. “Welchen Plan?”
“Dass ihr beide euch öfter unterhaltet. Von Frau zu Frau.” Tanner musste ein unwillkürliches Schaudern unterdrücken.
Lili seufzte erleichtert. “Ach so, ich dachte, es wäre etwas Unangenehmes.”
Er fuhr sich durchs Haar. “Warum rechnet die gesamte Familie ständig damit, dass ich jedem den Kopf abreiße, der mir über den Weg läuft? Ich bin doch kein Ungeheuer.”
Ihre Augen schimmerten wie der Rand der untergehenden Sonne, bevor sie hinter dem Horizont verschwand.
“Was ist?” Er musste nachfragen, denn sie hatte kein Wort gesagt.
“Ich gehöre nicht zu deiner Familie.”
“Es war nur so dahingesagt.” In Wahrheit war es alles andere als das. Roscoe und Erika waren schuld. Mit ihrem Lili-Gerede. Er selbst war schuld. Weil er sie so sehr begehrte. Seit Jahren hatte er nur oberflächliche Beziehungen gehabt und sie als völlig ausreichend empfunden. Doch in Wahrheit hatte es schon lange nicht mehr gereicht. Er hatte es lediglich verdrängt. Daran, dass Lili diejenige war, nach der er unbewusst schon lange suchte, wollte er auch nicht denken.
“Ich bin kein Unmensch.”
“Ich weiß, aber du wirkst manchmal so missbilligend.” Dann legte sie ihm die Hände auf die Schultern. “Das soll keine Kritik sein. Und ich freue mich, dass du mich Erika helfen lässt. Niemand hat mir jemals etwas so Wichtiges zugetraut.”
Diese Frau schaffte es immer wieder, ihn zu verwirren und gleichzeitig wie ein König – und ganz und gar nicht wie ein Unmensch – fühlen zu lassen.
Aber es stimmte schon, er hatte wirklich etwas leicht Diktatorisches an sich, und deswegen würde er aufs Ganze gehen und ihr sagen, was er mit ihr vorhatte. Nun ja, nicht alles. Zumindest nicht jetzt in diesem Augenblick. “Du schläfst heute Nacht bei uns, weil ich nicht erlaube, dass du allein hierbleibst. Hast du ein Problem damit?”
Sie lehnte sich an die Spüle, verschränkte die Arme und sah ihn durch ihre dichten Wimpern an.
“Was
Weitere Kostenlose Bücher