Eine magische Nacht. Roman
draußen vor der Tür wird Ihnen sagen, wo Sie Ihre Mom finden. Ich glaube, sie füllt ein paar Formulare aus.« Da sie dringend frische Luft brauchte, verließ Janelle das Zimmer.
Was hatte das zu bedeuten? Wenn sie unbewusst ein Tattoo »heilen« konnte, würden sich wahrscheinlich auch Piercings wieder schließen. Das wäre zwar nicht unbedingt eine Tragödie, aber mit Sicherheit wäre es unerklärlich. Auch blieb ihr gar nichts anderes übrig, als sich zu fragen, welche anderen »Heilungen« sie sonst noch versehentlich auslösen könnte. Man stelle sich vor, sie würde die falsche Person berühren und damit einen Magenbypass rückgängig machen? Oder gar ein künstliches Hüftgelenk oder einen Herzschrittmacher entfernen? Und wären mit dieser Berührung dann wenigstens auch die Gesundheitsprobleme geheilt, die diese künstlichen Hilfen ursprünglich notwendig gemacht hatten? Was war mit den Tätowierungen bei Patienten, die eine Strahlentherapie brauchten? Würde sie den Krebs unter der Hautmarkierung gleich mitheilen oder dessen Behandlung ohne die Tätowierung, die den Techniker leitete, nur erschweren? Mit welchen Konsequenzen musste sie rechnen, positiven oder negativen? Dabei dachte sie nicht nur daran, dass sie damit der Öffentlichkeit preisgegeben wäre, sondern fragte sich: Was war mit der Gesundheit ihrer Patienten? Oder der Gesundheit eines Fremden auf der Straße, jemand, den sie unwissentlich im Vorbeigehen streifte?
Sie wusste es einfach noch nicht. Und bei diesem alarmierenden Mangel an Kontrolle in Verbindung mit ihrer blinden Unkenntnis
waren ihre Patienten im Augenblick wenig mehr als Versuchskaninchen. Das konnte sie nicht einfach stillschweigend dulden.
Es war unverantwortlich.
Wie deprimierend. Sogar beängstigend. Würde es von nun an so weitergehen? War die Gabe für sie zum Fluch geworden? Wie sollte sie da praktizieren? Wenn sie versuchte, mit traditionellen Methoden zu arbeiten, und jedes Mal die nicht traditionellen Methoden die Führung übernahmen, würde es nicht mehr lange dauern, bis man ihr auf die Schliche kam. Und was dann? Die Gabe war eine wundervolle Sache, aber würde sie damit nicht am Ende selbst in einem Versuchslabor landen? Oder in einer Kuriositätenschau?
Sie eilte über den Flur, wobei sie auf dem Weg nach draußen der Empfangsdame am Haupteingang kaum zunickte und nur etwas von »Pause« murmelte. Um sieben Uhr war die Sonne bereits untergegangen, und Straßenlaternen warfen kleine Lichtkegel in die Dunkelheit. Sie wollte einmal kurz ums Gebäude laufen.
»Oooh, du machst eine Pause? Perfektes Timing«, vernahm sie eine leise Stimme über ihrer Schulter. Sie erschrak und funkelte Kane entnervt an, der ihr folgte und ohne Unterbrechung weiterging und redete. »Gerade hatte ich daran gedacht, dass ich die gute Dr. Corrington wegen einer Freundin von mir konsultieren muss. Sie hat einen Hang zu Märtyrertum und Selbstzerstörung, und sie braucht wirklich Hilfe.«
Janelle stöhnte. »Wenn es um Titania geht …«
»Natürlich geht es um Titania!« Den sarkastischen Plauderton gab er jetzt auf. »Verdammt noch mal, Janelle. Ich habe dir doch gesagt …«
»Ich weiß, ich weiß. Und Breena hat mich aufgehalten, also ist nichts Schlimmes passiert. Sie hat mir ziemlich deutlich klargemacht, wie leicht es ist, mir ein Bein zu stellen, und über welche Kräfte deine Stiefmutter verfügt. Ich habe es begriffen.« Janelle machte eine Pause. »Ich bin … ich habe einfach Angst. Diese Gabe …« Hilflos schüttelte sie den Kopf. »Ich kann es nicht kontrollieren. Was ist, wenn ich am Ende jemanden durch meinen Mangel an Kontrolle und meine Unwissenheit zu Schaden bringe? Ich habe keine Ahnung, wo diese Heilkraft ihre Grenzen hat und wie sie sich entwickeln wird. In der Standardmedizin führen wir wenigstens Tests durch und stoßen auf Ergebnisse. Wir sind in der Lage, eine Behandlung mittendrin abzubrechen, wenn es so aussieht, als würde etwas schieflaufen. Bei der Magie habe ich überhaupt keine Kontrolle. Und praktisch keinerlei Erfahrung. Was soll ich denn in einer Situation machen, wenn eine Heilung für mich bedeutet, dass ich auffliege, während es für den Patienten den Tod bedeutet, wenn ich es nicht tue? Ich könnte mich nicht dafür entscheiden, jemanden mit einer traumatischen Verletzung
nicht
zu heilen, jedenfalls dann nicht, wenn ich hinterher noch mit mir selbst klarkommen will. Wenn aber eine Heilung dazu führt, dass meine Gabe erkannt wird,
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