Eine Marcelli geht aufs Ganze
»Wie viel Angst soll ich dir machen?«
»Deine Familiengeschichte kenne ich ja bereits. Ist die Gegenwart noch einschüchternder?«
»Das musst du mir sagen.« Sie nippte an ihrem Wein. »Meine Großeltern väterlicherseits, meine andere Großmutter und meine Eltern leben alle in einer Hacienda oben in den Weinbergen. Ich habe eine Schwester, Katie, die ein Jahr älter ist, und eine Zwillingsschwester namens Brenna. Mia ist das Baby – sie ist neun Jahre jünger als ich.«
Sam wirkte beeindruckt. »Ich werde mich ab sofort nicht mehr über Gabriel beschweren.«
»Stimmt, das solltest du lieber lassen. Grandma Tessa, die Mutter meines Vaters, ist eine Italienerin, wie sie im Buche steht. Für sie gibt es im Leben nichts, das nicht mit einem Teller Pasta behoben werden kann. Mary-Margaret O'Shea ist die Mutter meiner Mutter. Wir nennen sie Grammy M. Sie ist Irin, winzig klein, aber mit eisernem Willen. Wir sind irisch-italienisch und katholisch. Die Familie ist laut, sprunghaft und hat immer einen Rosenkranz zur Hand.«
Er lächelte. »Du liebst sie. Das höre ich an deiner Stimme.«
»Stimmt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ist, in einer kleinen Familie aufzuwachsen.«
»Das hat seine Vor- und Nachteile.« Er stellte sein Weinglas neben seinem Stuhl auf den Boden. »Aber jetzt werde ich dich erst mal mit meinen kulinarischen Fähigkeiten bezaubern.«
»Wirklich?«
»Aber sicher. Die Kartoffeln backen bereits im Ofen. Elena hat vorhin einen Salat gemacht, und ich werde jetzt die Steaks auf den Grill werfen.«
Sie lachte. »Ich bin so beeindruckt, dass ich kaum noch atmen kann. Wirst du die Kartoffeln tatsächlich selbst aus dem Ofen holen?«
»Auf jeden Fall. Du kannst mir aber auch gerne helfen, wenn du dich dann besser fühlst.«
»Das ist beinahe zu viel des Guten. Ich wette, gleich erzählst du mir noch, dass du Milch in eine Schale mit Müsli kippen und einen Toaster bedienen kannst.«
»Wie hast du das nur erraten?« Er stand auf. »Komm. Schau zu und staune.«
Sie stellte ihr Weinglas ebenfalls beiseite und erhob sich. »So viel zum Thema, dass du Elena für deinen Großvater angestellt hast. Du klingst, als wenn du auch eine Haushälterin brauchst.«
»Auf gar keinen Fall. Ich kann so gut Essen beim Lieferservice bestellen wie kein Zweiter hier im Ort.«
»Ich schätze, ich sollte mich nicht über dich lustig machen. Ich kann selber nicht sonderlich gut kochen. Obwohl, meine aufgewärmten Dosenravioli sind ein wahrer Gaumenschmaus.«
»Das ist doch schon mal was.« Er nahm ihre Hand, und Francesca ließ sich von ihm nach drinnen führen. Sie fühlte sich gut. Besser als gut. Ihr ganzer Körper kribbelte. In Sams Gegenwart war sie auf neue und aufregende Weise lebendig. Ihr gefiel es, wie sie miteinander scherzten und lachten. Bislang hatte es noch kein unangenehmes Schweigen oder peinliche Gesprächspausen gegeben. Diese Dating-Sache fing langsam an, ihr richtig Spaß zu machen.
Sie gingen ins Fernsehzimmer, wo Sam Francescas Hand losließ und sich an einer beeindruckenden Stereoanlage zu schaffen machte.
»Gibt es einen Musikstil, den du besonders magst?«, wollte er wissen.
»Eigentlich nicht.«
Er ging einen Stapel CDs durch, und sie wanderte im Zimmer umher. Ein großes gepolstertes Sofa stand gegenüber von einem Flachbildfernseher, der von zwei riesigen Lautsprechern flankiert wurde. Links davon befand sich die Anlage, um die Sam sich gerade kümmerte, rechts führte eine Doppeltür hinaus auf die Terrasse.
Francesca ging nach rechts, wo in offenen Regalen Bücher und Fotos standen. Einige zeigten Sam mit einem älteren Mann – seinem Großvater, wie sie annahm. Ein paar waren in fernen Ländern aufgenommen, und auf keinem Foto waren seine Eltern zu sehen. Und auch keine Frauen, was, wie sie hoffte, ein gutes Zeichen war.
Auf dem Couchtisch lagen einige Zeitschriften. Times, Fortune, Car and Driver. Typisch Mann. Sie lächelte.
Während sie sich weiter umsah, erfüllten sanfte Klänge den Raum.
Sam berührte sie an der Schulter, damit sie sich zu ihm umdrehte. Er trat näher und legte ihr die Hände auf die Hüfte.
»Tanz mit mir«, bat er.
Mit einem Mal fühlte sie sich unbeholfen. »Hier? Im Fernsehzimmer?«
»Wäre es dir in der Küche lieber?«
»Nein. Ich habe nur ...«
Er wartete ihre Erklärung nicht ab, und sie hatte das Gefühl, dass er sowieso nicht sonderlich gerne wartete. Ganz langsam begann er, sich im Takt der Musik zu bewegen, wobei er sie mit jedem
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