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Eine Messe für all die Toten

Eine Messe für all die Toten

Titel: Eine Messe für all die Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Krösus.»
    Bell lächelte. «Lawson konnte von Glück sagen,
daß er es geschafft hat, ihm das Messer in den Rücken zu stoßen. Da dürften ihm
die Taschen ziemlich egal gewesen sein. Im übrigen könnte man Lawson — mit
gewissen Abstrichen — durchaus als Krösus bezeichnen. Ein paar Wochen vor seinem
Tod hatte er noch über 3o ooo Pfund auf seinem Girokonto.»
    Diesmal pfiff Morse laut und lange. «Ein paar
Wochen vor seinem Tod, sagen Sie...»
    «Ja. Dann hat er fast alles abgehoben.»
    «Und weiß man —»
    «Nein.»
    «Was hat denn der Bankmensch gesagt?»
    «Der darf doch nichts sagen.»
    «Und was hat er gesagt?»
    «Lawson habe ihm erzählt, er wolle eine anonyme
Spende für einen wohltätigen Zweck leisten und brauche deshalb Bargeld.»
    «Wohltätiger Zweck? Es darf gelacht werden.»
    «Es gibt eben noch großherzige Menschen auf der
Welt.»
    «Hat er das Bargeld vor oder nach dem Mord an
Josephs abgehoben?»
    Zum erstenmal ließ Bell Anzeichen von Unbehagen
erkennen. «Vorher.»
    Morse schwieg einen Augenblick. Die neuen
Informationen wollten sich nicht so ohne weiteres in das Muster einfugen. «Was
für ein Motiv hatte Lawson für den Mord an Josephs?»
    «Erpressung vielleicht?»
    «Hatte Josephs ihn irgendwie in der Hand?»
    «Kann sein. Es gab da gewisse Gerüchte.»
    «Ja?»
    «Bei Fakten ist mir wohler.»
    «Hat Lawson mit den Chorknaben geschwuchtelt?»
    «Sie drücken sich immer so gewählt aus.»
    «Na, dann rücken Sie mal raus mit Ihren Fakten.»
    «Lawson hatte ein paar Wochen vorher einen
Scheck über 250 Pfund für Josephs ausgeschrieben.»
    «Verstehe», sagte Morse nachdenklich. «Was
noch?»
    «Sonst nichts.»
    «Kann ich die Akten einsehen?»
    «Natürlich nicht.»
    Morse verbrachte die nächste Stunden in Bells
Büro mit der Durchsicht der Unterlagen.
    Wenn man den chronischen Personalmangel
berücksichtigte, waren die Ermittlungen im Fall Josephs und im Fall Lawson
recht sorgfältig durchgeführt worden. Allerdings gab es da ein paar
überraschende Lücken. So wären zum Beispiel die Aussagen aller Besucher
aufschlußreich gewesen, die an dem Abend, an dem Josephs gestorben war, am
Gottesdienst teilgenommen hatten, aber offenbar waren die meisten gar keine
Gemeindemitglieder gewesen - unter anderem hatten auch mehrere amerikanische
Touristen teilgenommen — und Lawson hatte ihnen ganz harmlos erklärt, ihre
weitere Anwesenheit sei nicht erforderlich. Verständlich, gewiß, aber sehr
leichtsinnig und inkorrekt. Unterstellen wir mal, überlegte Morse, Lawson habe
gar keinen Wert darauf gelegt, daß die Zeugen der Polizei alles erzählten, was
sie gesehen hatten. Manchmal waren es gerade diese Details, diese kleinen
Unstimmigkeiten... Von den gewissenhaft abgefaßten, sauber getippten Aussagen
las Morse nur eine gründlicher. Sie trug die krakelige Unterschrift von Mrs.
Emily Walsh-Atkins, die bestätigte, daß es sich bei dem Toten um Lawson
gehandelt habe.
    «Haben Sie das alte Mädchen verhört?» fragte
Morse und schob das Protokoll über den Tisch.
    «Nicht persönlich.»
    Bisher hatte Bell ein, zwei Längen Vorsprung
gehabt, aber Morse hatte den Eindruck, daß er zügig aufholte. «Sie ist blind
wie ein Maulwurf, haben Sie das gewußt? Komische Art von Identifizierung. Ich
hab sie vor kurzem kennengelernt, und da —»
    Bell sah langsam von dem Bericht auf, den er
gerade las. «Wollen Sie damit sagen, daß der Typ, der über der Einfriedung
hing, als wir kamen, nicht Lawson war?»
    «Ich sage nur, daß Sie wohl ziemlich verlegen um
Zeugen waren, wenn die alte Dame zur Identifizierung herhalten mußte. Wie
gesagt, sie ist —»
    «—blind wie ein Maulwurf, genauso hat es mein
Sergeant Davies auch ausgedrückt. Aber nehmen Sie ihr es nicht krumm, daß sie
mitspielen wollte, so was Aufregendes ist ihr bestimmt in ihrem ganzen Leben
nicht passiert.»
    «Aber das bedeutet doch nicht—»
    «Jetzt mal langsam, Morse. Für die Leichenschau
brauchten wir nur eine Identifizierung, also haben wir auch nur sie als Zeugin
benannt. Aber wir hatten noch einen zweiten Zeugen in Reserve, und der ist
bestimmt nicht blind wie ein Maulwurf, sonst würde er sich nämlich verdammt
schwertun, auf seiner Orgel Stücke mit sechs Kreuzen zu spielen.»
    «Verstehe.» Aber Morse verstand überhaupt nichts
mehr. Was hatte Morris an diesem Vormittag in der Kirche zu suchen gehabt? Ruth
Rawlinson würde es wissen. Ruth, die heute Geburtstag hatte und vermutlich
gerade dabei war, sich für einen geilen

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