Eine Mittelgewichts-Ehe
hast.«
Ich saß mit meinem Vater zusammen, der mir alles, was infolge von Kennedys Ermordung in den nächsten zehn Jahren mit dem Land passieren würde, und alles, was ungeachtet seiner Ermordung passieren würde, auseinandersetzte. Die Unterscheidung verwirrte mich.
Utsch wurde mir beim Dinner wiedergegeben; was immer zusammengekommen war, um sie aus dem Gleichgewicht zu bringen, schien unter Kontrolle zu sein. Sie war entspannt, verführerisch und schelmisch zu meinem Vater, der zu mir sagte: »Ich glaube, da hast du was Gutes. Lieber Himmel, als deine Mutter vorhin rein und raus rannte, hatte ich den Eindruck, du hättest irgendeine Kriegshinterbliebene, irgendeine Katastrophenfrau mit nach Hause gebracht.« Als der alte Langweiler schließlich zu bruddeln aufhörte, schlief das Haus.
Ich blickte hinaus auf den dunklen Bürgersteig. Ich muß wohl nach dem Mann mit dem Loch in der Wange Ausschau gehalten haben, um festzustellen, ob er mich überprüfte. Aber die Geschichte braucht Zeit; meine Ehe war noch neu. Ich würde ihn eine Weile nicht zu sehen bekommen.
Am nächsten Morgen fragte mein Vater: »Was macht eigentlich dieses blöde Bruegel-Buch?«
»Na ja, es ist nie was geworden«, gab ich zu.
»Um so besser«, sagte er.
»Ich hab da an ein anderes gedacht«, sagte ich. »Es handelt von Bauern.« Damals wußten wir beide nicht, daß dieser Gedanke mein dritter historischer Roman, mein Buch über Andreas Hofer, den Helden von Tirol, werden würde.
»Bitte erzähl mir nichts davon«, sagte mein Vater. »Ich habe Lust, dir ein Kompliment zu machen; was Frauen angeht, ist dein Geschmack bewundernswert. Ich finde, er übertrifft deinen literarischen Geschmack. Der Streit zwischen Karneval und dem Fasten, in der Tat!« höhnte er. »Na, es sieht so aus, als hätte das Fasten verloren. Dieses Mädchen ist Karneval durch und durch! Falls ich je eine weniger fastenmäßige Figur gesehen haben sollte, kann ich mich nicht daran erinnern. Bravo, Karneval!« jubelte er. Der alte Lustmolch.
Aber er hatte recht. Utsch war überall und immer eine Karnevalsgestalt.
Zum Beispiel wie sie schlief. Sie rollte sich nicht eng zusammen und schützte sich nicht; sie fläzte sich hin. Wenn man sich an sie kuscheln wollte, hatte sie nichts dagegen, aber sie selbst kuschelte nicht. Edith schlief wie eine Katze - beherrscht, eine Festung, an einen geschmiegt. Utsch spreizte sich aus, als wolle sie sich in der Sonne trocknen lassen. Wenn sie auf dem Rücken lag, schien sie nicht zu bemerken, wo die Decke war, und sie lag auf dem Bauch wie eine im Augenblick des Beinstoßes erstarrte Brustschwimmerin. Auf der Seite lag sie wie das Profil einer Hürdenläuferin. Oft schlug sie mitten in der Nacht mit dem Arm aus und schmetterte die Nachttischlampe vom Nachttisch oder fegte den Wecker durchs Zimmer.
Ich versuchte, mit Severin humorvolle Gespräche über Utschs ausgefallene Schlafhaltungen zu führen. »Es ist offensichtlich so etwas wie eine gewalttätige Reaktion«, mutmaßte ich, »zweifellos eine Abwehr gegen das Eingezwängtsein in der Kuh.«
»Ich schlafe selber so«, sagte er ernst, und damit hatte es sich.
Edith und ich waren die Anschmiegsamen; wir packten uns ordentlich und auf kleinem Raum aneinander. Wir witzelten oft über Severins und Utschs wirres Gefläze und versuchten uns vorzustellen, wie sie auf ein Bett paßten.
»Deshalb sind sie offenbar in die Ringerhalle gegangen«, sagte ich zu Edith. »Das ist das größte Bett in der Stadt.«
Edith setzte sich plötzlich auf und machte das Licht an. Ich blinzelte. »Was hast du gesagt?« fragte sie. Ihre Stimme war eigenartig tot. Ich hatte ihr Gesicht noch nie häßlich wirken sehen; vielleicht war es das plötzliche grelle Licht.
»Er hat sie in die Ringerhalle mitgenommen«, sagte ich. »Letzte Woche, als wir fanden, sie benähmen sich so komisch. Sie sind in die Ringerhalle gegangen.« Edith schauerte und schlug die Arme um sich; sie sah aus, als würde sie sich gleich übergeben. »Ich dachte, Severin hätte dir alles erzählt«, sagte ich. »Was ist daran schlimm? Paßt das nicht zu ihnen? Siehst du sie nicht förmlich vor dir, wie sie sich auf den Matten rumkugeln?«
Edith schwang die Beine aus dem Bett, stand auf und zündete sich eine Zigarette an; sie krampfte die Fäuste gegen die Schenkel; ich hatte nie bemerkt, wie dünn sie war; die Venen an ihren Handgelenken und auf ihren Handrücken traten hervor. »Edith?« sagte ich. »Was ist so schlimm daran,
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