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Eine Mittelgewichts-Ehe

Eine Mittelgewichts-Ehe

Titel: Eine Mittelgewichts-Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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daß sie in die Ringerhalle gehen?«
    »Er weiß, was daran schlimm ist!« wimmerte sie schrecklich; sie schien sich ihres Körpers so unbewußt, daß ich mich schämte, sie anzusehen. Sie ging neben dem Bett hin und her. »Wie konnte er das tun!« jammerte sie. »Er muß gewußt haben, wie weh er mir tun würde.« Ich verstand das nicht; ich stieg aus dem Bett und ging zu ihr, aber sie zog sich mit einer verschreckten, unbeholfenen Bewegung aufs Bett zurück und zog die Decke hoch, um sich zu verstecken.
    »Geh heim, bitte«, flüsterte sie. »Geh bloß heim. Ich will allein sein.«
    »Edith, du mußt mit mir reden«, sagte ich. »Ich weiß nicht, was so schlimm ist.«
    »Dorthin hat er immer Audrey Cannon mitgenommen!« schrie sie.
    »Wen? Was?«
    »Frag ihn!« brüllte sie mich an. »Los doch! Bitte geh raus, geh heim. Bitte! «
    Ich stolperte in den Flur hinaus, zog mich auf der Treppe an, fand meine Autoschlüssel und fuhr heim. Ich hörte sie hinter mir die Schlafzimmertür abschließen. Nichts ist so verwirrend wie herauszufinden, daß man jemanden nicht kennt, den man zu kennen glaubte.
    Severins Auto war in meiner Auffahrt geparkt. Zumindest waren sie nicht wieder in der Ringerhalle. Als ich den Bürgersteig überquerte, hörte ich Utschs deutschen Gesang. Es war ihr Kommens-Gesang, aber er dauerte länger als sonst. Durch die Wände meines Hauses, durch die geschlossenen Fenster hörte ich, wie meine Frau kam. Was für ein Fest für Voyeure unser Bürgersteig war. Irgendwas wurde umgeschmissen, und Severin schnaubte wie eine bestimmte Spezies von Huftieren. Utsch war ein Sopran, obwohl ich das nie gewußt hatte; so hatte ich sie wahrhaftig noch nicht singen hören.
    Ich schaute die dunkle Straße entlang und stellte mir das krude Gespräch vor, das ich mit einem unerwarteten Passanten führen könnte. »Junge, Junge, da drin kriegt's aber eine besorgt«, würde er sagen.
    »Allerdings«, würde ich sagen, und wir würden lauschen.
    »Junge, Junge! Die hört ja überhaupt nicht mehr auf!« würde er sagen.
    »Allerdings.«
    »Manche Kerle ha'm aber auch einen Quirl«, würde er sagen, und auf seinem von der Straßenlampe erleuchteten Gesicht würde sich Neid zeigen. »Der Kerl muß vielleicht einen Hammer haben.«
    Und ich würde sagen: »Ach was, das ist alles Quatsch, ein altes Märchen. Mit dem Hammer hat das überhaupt nichts zu tun.«
    Und er würde Utschs höchster Arie zuhören und sagen: »Ach ja? Wenn das kein Hammer ist, der das bewirkt, dann weiß da einer was, was ich nicht weiß.«
    Schließlich kam Utsch. Ich hörte ihre gebrochene Stimme und sah in unserem Schlafzimmer ein schwaches Licht flackern. Zweifellos hatte ihr Atmen die Kerze ausgeblasen. Ich dachte an die Kinder und wie verängstigt sie sein würden, wenn sie bei diesem Geräusch aufwachten. Ich dachte daran, wie lange es her war, daß ich überhaupt an die Kinder gedacht hatte. Und die dunkle Straße hinab hielt ich Ausschau nach meinem Ankläger, dem Mann mit dem Loch in der Wange. »Ich höre das«, würde er sagen. Wie hatte er es formuliert? Ich fühle meinen Pistolenhahn, ich fühle es in den Lungen. Es sah nach einer passenden Gelegenheit für ihn aus, Utsch retten zu kommen. Ich hätte den Kopf hängen lassen, wenn ich ihn gesehen hätte; ich hatte das Gefühl, ich hatte sie in Schwierigkeiten geraten lassen, obwohl ich nicht genau wußte, was für welche.
    Ich schloß laut die Tür meines Hauses, machte den Schrank auf und klapperte mit den Kleiderbügeln, obwohl ich keinen Mantel aufzuhängen hatte. Severin überraschte mich; er stürzte nackt ins Wohnzimmer, bereit, den Einbrecher zu verprügeln. »Ich bin's bloß, um Himmels willen«, sagte ich. Sein Hammer, stellte ich zu meiner Erleichterung fest, sah mehr oder weniger wie der jedes anderen aus. Utsch tauchte hinter ihm auf und reichte ihm seine Unterhose; sie war schon in ihren Morgenmantel geschlüpft. Ich nehme an, sie erkannten an meinem Blick, daß etwas nicht stimmte.
    »Edith regt sich auf«, sagte ich. »Es ist wahrscheinlich meine Schuld. Ich habe ihr gesagt, daß ihr beide in die Ringerhalle gegangen seid.« Severin schloß die Augen; Utsch berührte ihn an der Schulter. »Na ja, niemand hat mir gesagt, daß ich es ihr nicht sagen soll«, sagte ich. Es war klar, daß sie beide wußten, worüber Edith sich aufregte. Ich war wütend darüber, daß ich als einziger im dunkeln tappte. »Wer ist Audrey Cannon?« fragte ich wütend. Utsch nahm die Hand von Severins

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