Eine Mutter fuer die kleine Cassie
antwortete sie schließlich.
Zwischen ihnen herrschte nahezu eine Minute lang Schweigen. Dann hob Sharon das Kinn und legte ihm eine Hand auf den Arm. Schmale Finger, unlackierte Nägel, blass auf den dunklen Haaren. Warm auf der bloßen Haut. Sein Herz schlug schneller. Er versuchte, an etwas anderes zu denken.
“Wir schaffen das schon, Grant. Ich meine, wir haben schon mal zusammen geschlafen.”
Sie rang sich ein Lächeln ab, das nicht gerade überzeugend wirkte. Im Gegenteil, sie sah aus, als ob er ihr Mut machen müsste.
Doch das konnte er nicht. “Sicher, aber damals waren wir Kinder. Acht oder neun Jahre alt.
Und wir haben in Schlafsäcken in einem Zelt gelegen.”
Sie schluckte schwer. “Wir schaffen es … ganz bestimmt. Es sind ja nur ein paar Tage. Ich meine, was soll schon passieren?”
Sie errötete und schien ihre Worte zu bereuen. Grant unterdrückte einen Fluch. Er wusste nur zu gut, was alles passieren konnte. Er war ein Mann, verdammt. Und sie eine viel zu attraktive Frau.
“Wieso bringst du deine Sachen in Daddys Zimmer?”
Cassies Stimme ließ Sharon am nächsten Abend auf halbem Wege zwischen ihrem und Grants Zimmer stehenbleiben, den Arm voller Kleider. Langsam drehte sie sich zu dem kleinen Mädchen um und holte tief Luft, bevor sie antwortete.
“Weil deine Großeltern mein Zimmer brauchen werden”, antwortete sie.
“Oh.” Cassie nickte. Sharon ging weiter den Flur entlang. “Wieso schläfst du eigentlich nicht mit Daddy zusammen, wie Mom es getan hat, bevor wir hergezogen sind?” rief die Kinderstimme ihr nach.
Sharon sah Cassie nicht an, sondern suchte verzweifelt nach einer Erklärung, die das Mädchen zufriedenstellen würde. Sie hätte darauf vorbereitet sein und wissen müssen, dass sie Cassie nicht vertrösten konnte, bis Grant nach Hause kam. Die Kleine hatte ein Recht auf eine Antwort.
“Weil … dein Daddy gern viel Platz im Bett hat … und ich auch. Außerdem … umarmt er immer das Kissen, genau wie Brittany.” Innerlich schüttelte sie den Kopf über ihre Antwort, hoffte jedoch, dass Cassie sich vorläufig damit begnügen würde. Ihr graute vor der nächsten Frage. Dass sie kommen würde, war ihr klar. Sie begann die Kleider in Grants Schrank zu hängen, neben seine Hemden.
“Bekommst du ein Baby?”
“Nein”, rief sie lauter als nötig und ließ das Kleid in ihrer Hand fallen. Hastig drehte sie sich zu dem kleinen Mädchen um. “Ich bekomme kein Baby.”
Cassie saß auf dem Bettrand, Brittany neben sich, und schaute Sharon erwartungsvoll an.
Von einem Bett aus, das sie und Grant bald miteinander teilen würden. Bei der Vorstellung wurde ihr warm.
“Aber genau das passiert doch, wenn du mit Daddy schläfst. Das hat Mama gesagt, als er wollte, dass sie in sein Zimmer kommt, und sie nicht wollte. Und dann hat er gesagt, dass er
…”
“Cassie, hör auf, bitte.” Sharon schnappte nach Luft. “Ich möchte nichts davon hören, wie deine Eltern sich gestritten haben, okay? Das ist persönlich, so etwas wie ein Geheimnis.
Wenn dein Daddy möchte, dass ich davon erfahre, wird er es mir selbst erzählen.”
Dass Grant trotz seiner schlechten Ehe mehr Kinder gewollt hatte, war das allerletzte, was sie hören wollte. Und in genau die Richtung ging die Geschichte, die Cassie ihr erzählen wollte. War seine Absicht, noch ein Kind zu bekommen, der letzte verzweifelte Versuch gewesen, die Ehe zu retten? Oder hatte Grant auf jeden Fall ein zweites Kind gewollt? Aber warum hatte er Sharon geheiratet, wenn er einen Bruder oder eine Schwester für Cassie wollte? Er hatte doch gesagt, dass er nie wieder heiraten wollte. Und trotzdem …
Hör auf! befahl Sharon sich. Das alles waren Fragen, auf die es keine Antworten gab. Und im Moment hatte sie weder die Zeit noch die emotionalen Reserven, sich damit zu quälen.
“Cassie, dass ich nicht mit deinem Daddy schlafe, ist auch so eine Art Geheimnis. Es muss unser Geheimnis bleiben, deines, meines und das deines Daddys. Wir beide möchten, dass du es niemandem verrätst, nicht einmal deiner Grandma oder deinem Grandpa”, sagte sie mit leisem Nachdruck.
“Okay.” Cassie nickte, und Sharon bückte sich, um das Kleid aufzuheben.
“Willst du denn gar kein Baby, Sharon?” fragte Cassie zaghaft.
Sharon blieb fast das Herz stehen. “O Cass”, erwiderte sie mit, erstickter Stimme, bevor sie vor dem Mädchen in die Knie ging und die kleinen Hände in ihre nahm. Sie schaffte es zu lächeln. “Wir brauchen kein
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