Eine Mutter fuer die kleine Cassie
“Das ist noch nicht alles”, sagte er kaum hörbar.
Sie nickte.
“Hugh und Dorothy gaben mir ebenfalls die Schuld an ihrem Tod”, erzählte er mit müder Stimme. “Sie haben es nicht offen ausgesprochen, aber ich sah es ihnen an.” Er schluckte schwer. “Sie wiesen mich ab, als ich ihre Hilfe brauchte. Vielleicht war es egoistisch, von den beiden etwas zu erwarten, worauf ich kein Recht hatte … Aber ich brauchte ihre Unterstützung, verdammt. Statt dessen gaben sie mir die Schuld an Catherines Tod und zeigten mir die kalte Schulter. Dabei hatte ich sie wirklich gern gehabt.” Seine Stimme wurde rau. “Verstehst du jetzt, warum es mir so schwer fällt, den beiden zu verzeihen, was sie mir antun wollen? Sie mit offenen Armen in meinem Haus aufzunehmen?”
Sharon machte einen Schritt nach vorn, legte die Arme um ihn und den Kopf an seine Schulter. “Es tut mir ja so leid”, flüsterte sie ergriffen. “Hugh und Dorothy haben dir unrecht getan, Grant.”
Ihre Worte waren wie Balsam für seine wunde Seele. Sie wärmten und trösteten ihn tief im Inneren. Ohne lange nachzudenken, zog er Sharon an sich, um ihr näher zu sein, um mehr von ihr zu fühlen.
Sie bog sich ein wenig zurück, stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen zarten Kuss auf die Wange. Er streifte seinen Mundwinkel. Und als Grant den Kopf wandte, berührten sich ihre Lippen, als hätten sie es so beabsichtigt.
Sie zögerte kurz, bevor sie sich an ihn schmiegte. Ihre Lippen suchten wie von selbst nach seinen und pressten sich auf sie. Er wollte mehr, wollte sie leidenschaftlich küssen, sie schmecken, sie aufs Bett ziehen, Hugh und Dorothy und Cassie und das Abendessen vergessen. Er wollte Sharon hinlegen, sie ausziehen und…
Sie stöhnte auf. Dann fuhren sie auseinander, als wäre ihnen erst jetzt bewusst geworden, was sie taten.
“Es tut mir leid”, sagte er mit rauer Stimme.
Sie legte die Fingerspitzen auf seinen Mund. Ihre Augen waren groß und dunkel, die Wangen gerötet. Es kostete ihn alles an Selbstbeherrschung, sie nicht wieder an sich zu ziehen. Er verfluchte sein Verlangen.
“Es muss dir nicht leid tun”, flüsterte sie. “Es ist nicht deine Schuld. Du hast dir nichts vorzuwerfen.”
Sie starrte ihn an und erbebte innerlich. Noch immer konnte sie die Wärme, den Druck seiner Lippen fühlen, und am liebsten hätte sie die Arme um seinen Hals geschlungen und sich in einem Kuss verloren.
Weil sie ihn liebte.
Schockiert sah sie ihn an und zog mit ihrem Blick das markante Kinn und die geschwungenen Lippen nach. Sie wollte mehr. Viel mehr. Und fragte sich, ob sie den Verstand verloren hatte.
“Ich räume jetzt besser auf”, sagte er schließlich und eilte ins Badezimmer.
Die Tür schloss sich hinter ihm, doch sein Bild, die langen, muskulösen Beine in den engen Jeans, die breiten Schultern, die dunklen, glitzernden Augen blieben bei ihr zurück.
Sie ließ sich aufs Bett sinken. Sie durfte Grant nicht lieben. Das war nicht vorgesehen. Das war nichts, was er wollen oder begrüßen würde. Sie hatte tatsächlich den Verstand verloren, zusammen mit jedem Funken Vernunft, den sie jemals besessen hatte.
Noch während sie sich dagegen zu wehren versuchte, wurde ihr klar, was nicht mehr zu bestreiten war, so tief es sie auch erschütterte.
Sie liebte Grant, wie sie keinen anderen Mann geliebt hatte. Es war eine Liebe, die in der Kindheit geboren und in der Jugend aus Hoffnungslosigkeit unterdrückt worden war, die jetzt jedoch mit erschreckender Kraft wieder an die Oberflache drängte.
Wann mochte es geschehen sein? Warum hatte sie nichts davon gemerkt? Sie versuchte sich zu erinnern. Es gab kein einzelnes Ereignis, keinen großen Moment der Wahrheit. Sie hatte sich stets eingestanden, dass sie Grant als Freund liebte. War es in Wirklichkeit immer mehr als das gewesen? Hätte sie ihm diese Scheinehe vorgeschlagen, wenn es nur Freundschaft gewesen wäre? Hatte sie insgeheim gehofft, auf diese Weise mehr daraus machen zu können?
Vermutlich, gestand sie sich voller Scham ein. Grant hätte niemals zugestimmt, wenn er das geahnt hätte. Die Tatsache, dass sie sich in all diesen Jahren etwas vorgemacht hatte, änderte nicht das geringste daran, dass Grant sich nie für sie als Frau interessiert hatte. Er hatte ihre Liebe nie gewollt, warum sollte sie ihm jetzt willkommener sein?
In was für eine ausweglose Situation hatte sie sich gebracht? Übelkeit stieg in ihr auf. Sie schloss die Augen, schluckte mühsam und
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