Eine Nachbarin zum Verlieben
unbedingt sein musste? Einen gut aussehenden oder einflussreichen Mann oder einen mit viel Geld oder sonst irgendeiner Art von nachvollziehbarer Anziehungskraft? Stattdessen schleppt sie diesen Volltrottel an. Das war wirklich ein Tiefschlag. Nicht dass ich darüber reden will.“
„Nein, natürlich nicht“, warf Amanda todernst ein.
„Jedenfalls war das der Augenblick, in dem ich beschlossen habe, für den Rest meines Lebens auf Sex zu verzichten. Gut, ich habe viel gearbeitet. Aber auch viel verdient. Und ich dachte ehrlich, ich mache das für uns beide.“
Mike stellte Amandas Tasse zur Seite, die mittlerweile ebenfalls leer war. „Als Teddy auf die Welt kam, habe ich eine Haushaltshilfe eingestellt, damit Nancy nicht rund um die Uhr Hausfrau und Mutter sein musste, sondern auch Zeit für sich hatte. Wir gingen immer noch gelegentlich aus, unternahmen etwas … Verdammt, ich wusste nicht einmal, dass sie unglücklich war. Sie hat mir nur aus heiterem Himmel erklärt, dass sie mich verlässt. Für George.“
„Schlimm“, meinte Amanda leise.
„Zu Teddy hat sie gesagt, Mom und Dad hätten sich einfach nicht verstanden. Aber weil er sich davon nie selber überzeugen konnte, glaubt er das einfach nicht und sagt immer wieder, dass es seine Schuld ist.“
Amanda nickte verständnisvoll. Das konnte sie sich gut vorstellen.
„Und durch diesen George, dem Teddy nichts recht machen kann, wird alles noch viel schlimmer. Teddy bemüht sich zwar, aber früher oder später passiert es einfach, dass er ein Glas Milch umkippt, oder etwas anfasst, was er nicht soll, oder auf der Toilette vergisst zu spülen. Weißt du, was er heute Morgen gesagt hat?“
„Was?“
„Dass ihm schlecht ist, weil er zu seiner Mom und George muss. Deshalb habe ich mir auch die Wurmfarm und den Wassergarten für ihn ausgedacht: damit er sich ohne schlechtes Gewissen mal richtig schmutzig machen kann und sieht, dass das ganz normal ist und Spaß macht.“
„Mike?“
„Ja?“
„Für mich ist es auch immer ganz schlimm, wenn ich Molly ihrem Vater überlassen muss. Aber wir können ohnehin nichts daran ändern. Deshalb nehme ich mir für solche Tage auch immer ganz, ganz viel vor. Denn erstens ist es gut, wenn alle möglichen nicht kinderkompatiblen Dinge endlich erledigt werden können, und zweitens bin ich dann so beschäftigt, dass ich mir nicht allzu viele Gedanken machen kann.“
Sie zwinkerte Mike zu. „Für heute hatte ich beispielsweise eine mehrseitige To-do-Liste: von Vorhänge aufhängen über Schränke einräumen bis hin zu tapezieren. Mein halbes Geschirr ist noch in Schachteln verpackt, und …“
„Bitte hör auf!“, rief Mike gespielt gequält. „Ich werde schon vom Zuhören müde.“
„Und ich vom Drandenken. Deshalb habe ich einen Vorschlag.“
Sie zögerte kurz, weil sie genau wusste, dass es keine gute Idee war, doch andererseits fiel ihr auch kein konkreter Grund ein, der dagegensprach. „Wie wäre es, wenn wir gemeinsam ein paar Stunden Spontanurlaub vom Alleinerzieherdasein nehmen? In einem schicken Restaurant essen, in das man mit Vierjährigen nicht gehen kann. Einen Film für Erwachsene anschauen oder sonst irgendwas tun, das garantiert nicht als Kinderprogramm durchgeht.“
Mike sah sie an. Sie hielt seinem Blick stand. Er sagte: „Ich ziehe mir nur schnell etwas an und hole meine Geldbörse. Wir treffen uns in fünf Minuten bei mir in der Garage.“
6. KAPITEL
Sechs Stunden später fuhr Mike von der Schnellstraße aus Chicago ab. Von hier aus würde es noch etwa zwanzig Minuten dauern, bis sie zu Hause waren.
Mike wollte nicht, dass der Tag schon zu Ende ging.
Er warf einen Blick zu seiner Beifahrerin hinüber. Amanda schien sich bei ihm im Auto wohlzufühlen.
„Das war der schönste Tag seit Langem“, murmelte sie.
„Stimmt.“ Von ihrem Vorschlag, den Tag gemeinsam blauzumachen, war er hin und her gerissen gewesen. Dagegen sprach, dass sie in ihm schon viel zu viele falsche Ideen, Gefühle und Hormone geweckt hatte. Dafür, dass es ihm ungeheuer schwerfiel, Teddy seiner Exfrau zu überlassen, und er für jede Ablenkung nur dankbar sein konnte.
Der Erwachsenentag hatte ihnen beiden gutgetan.
Amanda hatte das Restaurant ausgewählt. Sie hatte glücklich eine Hummercremesuppe gelöffelt, während er sich ein Rinderfiletsteak bestellt hatte, blutig natürlich. Schon an der Wahl der Gerichte sah man, dass sie Welten trennten, doch was machte das schon?
Die anderen Restaurantgäste
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