Eine Nacht, Markowitz
rötete ihr dauerhaft die Wangen. Vor allem aber war es die Aussichtslosigkeit ihres Tuns, die Willkürlichkeit ihrer Erwartungen, die grandiose Unvernunft, die ihr Blut in Wallung brachten und ihrem Körper Vitalität verliehen.
Als der Irgun-Vizechef eine Woche später wieder an ihre Tür klopfte, meinte er fast, sich in einen Orangenhain verlaufen zu haben. Er nahm seinen ganzen Scharfsinn zu Hilfe, um sich einzureden, dass er keineswegs seinen guten Freund Feinberg hintergehe. Sie hatten doch immer alles geteilt, was ihnen in die Quere kam – Frauen, Geschichten, Schnapsflaschen –, warum sollte diese Frau anders sein als ihre Vorgängerinnen? Und doch musste er sich widerwillig eingestehen, dass sie anders war. Als der Orangenduft ihn schließlich um den Verstand zu bringen drohte, erklärte er die ganze Sache für überbewertet. Sonia war nichts anderes als eine weitere Freundin von Seev Feinberg (der jetzt sicher auf dem Rückweg nach Palästina war – in den Betten der Frauen an Bord), und gewiss würde er sich freuen, wenn der Irgun-Vizechef sie in seiner Abwesenheit hin und wieder besuchte. Ganz gewiss würde Seev Feinberg die Hingabe seines Freundes zu schätzen wissen, der sich in den Norden aufgemacht hatte, um ein bisschen Zeit mit der Frau zu verbringen, deren Augen für das herkömmliche Schönheitsideal einen Millimeter zu weit auseinanderstanden.
An ihrer Türschwelle angelangt, hätte er beinah einen Rückzieher gemacht. Eine knappe Stunde drückte er sich im Schatten herum, beobachtete die Kerosinlampe im Wohnzimmer. Dann beschloss er, aus dem Dunkel ins Licht zu treten, und klopfte an die Tür. Sonias Stimme fragte: »Wer da?« Der Irgun-Vizechef zögerte einen Moment, was er auf diese Frage antworten sollte, und sagte dann: »Efraim.«
Als Sonia die Tür öffnete, erkannte sie ihn kaum wieder. Er hatte nichts von dem Mann, den sie eine Woche zuvor getroffen hatte. Die Selbstsicherheit und Arroganz waren völlig gewichen, zugunsten einer stammelnden Unbeholfenheit, die sie an die ersten Schritte eines neugeborenen Lämmchens erinnerte. Sie gab sich ihm ohne Zögern hin, wobei ihr seine Dankbarkeit allerdings peinlich war. Er war zu schön, um die Gunst einer gewöhnlichen Frau zu erflehen, und dass er gerade sie angefleht hatte, weckte eher Unbehagen als Leidenschaft bei ihr. Jedenfalls hatte sie keine Gewissensbisse, empfand weder die Lust der Rache noch die Scham der Untreue. Nur die Ruhe des befriedigten Körpers. Über drei Wochen waren seit Seev Feinbergs Flucht vor Abraham Mandelbaum vergangen, und Sonias Körper warf die Männer zwar nicht reihenweise um, machte ihr selbst aber erheblichen Spaß. Es bestand kein Grund, ihn Staub ansetzen zu lassen. Seit Seev Feinbergs Abreise verbrachte sie die Abende damit, auf dem Sofa zu sitzen, die von den Schimpfkanonaden des Tages heisere Kehle mit Tee zu ölen und den rosigen Zeigefinger ins Honigglas zu stecken. Mit genau demselben Finger war sie über Feinbergs Unterleib spaziert und auf ihre Schenkel übergesprungen. Jetzt, in seiner Abwesenheit, blieb ihr Körper verwaist und gelangweilt. Zwar war Seev Feinberg einige Male im Schlaf zu ihr gekommen, und sie wiederum hatte es prima geschafft, frühmorgens im Bett zu ihm zu finden, aber Fantasien sind nicht mit echten Liebkosungen gleichzusetzen. So unbändig der Beischlaf im Geist auch ausfiel, hinterließ er doch nicht das kleinste Zeichen an ihrem Körper. Und diese Zeichen liebte Sonia ja beinah ebenso wie den Liebesakt selbst. Wenn sie mittags auf freiem Feld stand, sah sie manchmal verstohlen nach dem Kratzer, den Seev Feinberg auf ihrer Brust hinterlassen hatte, nach der Bisswunde, die ihren Bauch zierte. Während die Sonne ihr auf den Schädel knallte, tröstete sie sich so in Gedanken an die Zeichen der Nacht. Doch nun waren ihre Nächte still und ihr Körper frei von Zeichen. Deshalb fand sie es völlig gerechtfertigt, dass Seev Feinbergs bester Freund bei ihr im Bett lag: Der eine fährt weg, der andere kommt und übernimmt dessen Pflichten. Sogar das Regal, das Seevik hatte reparieren wollen, hatte der Irgun-Vizechef in Ordnung gebracht, bevor sie schlafen gegangen waren.
Ähnlich wie Seev Feinberg vor ihm entdeckte auch der Irgun-Vizechef, dass Sonias Körper ein Quell süßen Wassers war. Er trank daraus und konnte nicht genug davon kriegen. Doch als er am nächsten Morgen aufwachte, war das Bett leer. Vergeblich suchte er Sonia in ihren vier Wänden und auf den Dorfstraßen
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