Eine Nacht wie Samt und Seide
fertig zur Abfahrt, und entdeckte Eugenia, wie sie sich vor dem Spiegel in der Eingangshalle drehte und wendete - fast wie ein junges Mädchen.
»Oh, da bist du ja, Liebes. Sag mal«, Eugenia zupfte an dem zierlichen Spitzenkragen, den sie an ihrem züchtigen Ausschnitt befestigt hatte, »denkst du, dies hier lässt mich alt aussehen?«
Pris blinzelte verwundert, aber als Eugenia sie weiter fragend anschaute, betrachtete sie ihre Tante genauer - das Gesicht mit den weichen Zügen, das sanft gewellte blonde Haar, das nur wenig Grau durchzog. Die rundliche Figur, matronenhaft wie bei Rubens, die Intelligenz, die aus den klaren blauen Augen leuchtete. Sie schüttelte den Kopf. »Ich finde nicht, dass du irgendwie alt aussiehst.«
Zutiefst weibliche Zufriedenheit ließ Eugenias Lächeln aufstrahlen. »Danke, Liebes.« Sie drehte sich um und schaute Pris an, dann hob sie die Brauen. »Dieser Lilaton steht dir besonders gut. Gehe ich recht in der Annahme, dass du die Verkleidung als Blaustrumpf aufgibst?«
Pris beschäftigte sich angelegentlich mit ihren amethystfarbenen Röcken und zuckte die Achseln. »Es sind doch nur Russ, Dillon und Barnaby da, es ist doch niemand anwesend, den ich täuschen müsste.«
Eugenia schien daran nicht gedacht zu haben. »Stimmt.«
Das Funkeln in ihren Augen verriet, sie hatte sie durchschaut und war sich sehr wohl bewusst, dass ein männliches Wesen anwesend wäre, das sie nur zu gerne mit der ganzen Wucht ihres Charmes konfrontieren wollte.
Adelaide kam zufrieden die Treppe hinabgehüpft; da sie nun wusste, wo Russ war, war sie entzückt, dass sie ihn heute Abend sehen würde. »Ich bin fertig.« Sie blieb auf der letzten Stufe stehen und schaute Pris und Eugenia fragend an. »Können wir gehen ?«
Pris sah zu Eugenia, die ihren Blick erwiderte; sie lachten.
»Kommt«, winkte Eugenia sie zur Tür. »Patrick wartet schon.«
Die Fahrt nach Hillgate End verlief in einer Atmosphäre kaum verhohlener Vorfreude. Der General empfing sie an der Eingangstür und verneigte sich. Sie traten ein. Dillon, Barnaby und Russ erwarteten sie im Empfangssalon.
Pris, die hinter Eugenia ging, war froh, dass sie Dillon schon zuvor in Abendkleidung gesehen hatte. Es gelang ihr, ihn nicht anzustarren, aber erst nachdem sie ihn begrüßt hatte, sich umdrehte und Russ grinsen sah, fiel ihr wieder ein, dass ihr Zwillingsbruder auch da war. Sie musste blinzeln, sammelte sich und wandte sich an Barnaby.
Es folgte ein herzlicher, entspannter und sehr angenehmer Abend in der Gesellschaft von Freunden. Das Essen war ausgezeichnet, die Weine leicht. Die Gespräche überschäumend geistreich, interessant und anregend. In unausgesprochener Übereinkunft sprach niemand von ihnen über das, was sie hier zusammengeführt hatte, oder über die Entscheidungen, die noch getroffen werden mussten. Stattdessen drehte sich die Unterhaltung um London und Irland, Skandale und Neuigkeiten, um Pferde auch, aber mehr um die Aufzucht als um Rennen.
Es wurde viel gelacht, die Stimmung war locker. Russ sprach leise mit Adelaide; während Barnaby den General und Eugenia unterhielt, tauschten Dillon und Pris ihre Ansichten über Kartenspiel, Kutschenrennen und Hunde aus.
Als jedoch der letzte Gang abgetragen war und der Tisch abgeräumt, schaute der General lächelnd in die Runde. »Vielleicht sollten Lady Fowles, Miss Blake und ich uns unter den gegebenen Umständen in den Empfangssalon zurückziehen, damit die anderen in Ruhe überlegen und die Lage besprechen können.«
»Genau.« Eugenia schob den Stuhl zurück. »Aber lasst euch nicht zu viel Zeit. Wir erwarten alle zum Tee.«
Die Männer erhoben sich, als sie es tat. Der General bot Eugenia seinen Arm. Mit Adelaide auf seiner anderen Seite verließen die drei den Raum, während sie sich bereits angeregt unterhielten.
Dillon ließ sich wieder auf seinen Stuhl neben Pris sinken. Barnaby blieb ihnen gegenüber sitzen, und Russ wechselte zu einem Platz neben ihm. Ehe sie anfangen konnten, schwang die Tür auf und Jacobs trat mit dem Tablett ein, auf dem sich Portwein in einem Dekanter befand.
Er blieb stehen, blinzelte verwundert.
Dillon schaute zu Pris, aber sie starrte nur gedankenverloren auf die Holzmaserung der Tischplatte. Er stieß sie mit dem Ellbogen an; als sie aufblickte, deutete er mit dem Kopf zu dem Butler, der verunsichert wartete, weil er nicht wusste, was er tun sollte. Pris sah ihn verständnislos an, dann wieder zu Dillon. Er erwiderte ihren Blick mit
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