Eine Nacht wie Samt und Seide
wie sie das bewerkstelligen sollte.
»Ich ...« Sie biss sich auf die Lippe; die Worte, die ihr einfielen, waren nur erbärmlich.
»Hattest du etwa einfach vergessen, wer du bist?«
Sein Ton traf einen wunden Punkt. Sie blieb stehen, reckte ihr Kinn höher, als er näher kam, und musterte ihn aus schmalen Augen. »Ja, so war es wirklich. In gewisser Weise war es so.«
Ihre Wut wuchs; sie hieß sie willkommen, ließ sich von ihr erfassen. Bezog daraus Kraft und Stärke, ihm entgegenzutreten. »Als wir uns zuerst getroffen haben, gab es keinen Grund, weshalb du meinen richtigen Namen wissen musstest, und Dalling ist der Name, den Russ und ich benutzen, wenn es Gründe gibt, den Familiennamen aus etwas herauszuhalten. Natürlich habe ich ihn benutzt, als wir uns zuerst trafen. Und dann später ...«
Sein Lächeln enthielt keine Belustigung. »Ja, sprechen wir doch von später.«
Sie beugte sich ein wenig vor, erwiderte das Lächeln noch etwas frostiger. »Nachher war es mir nicht wichtig. Ja, ich habe es vergessen, weil es nur mein Name ist. Es ist nur ein Name, und gleichgültig, wie ich heiße, ich bin doch derselbe Mensch! Ja, ich habe es vergessen. Daher entschuldige ich mich hiermit für den Schock, den du erleiden musstest, aber alles andere ...«
Ihre Stimme war lauter geworden. Sie breitete die Arme aus, erwiderte weiter seinen Blick, ihr eigener war nun sengend. »Das bin ich. Pris. Ob nun Dalling oder Dalloway, ob vorneweg ein >Lady< steht, was zum Teufel macht das schon für einen Unterschied?
Warum sollte es etwas zwischen uns ändern, dass ich die Tochter eines Earls bin? Für das, was geschehen ist, oder wo wir nun stehen? Es ändert jedenfalls nichts daran, was nun kommt.«
Dillon sah ihr ins Gesicht, in die brennenden Augen und ihre unerschütterliche Gewissheit und begriff, dass sie ihm soeben alles gesagt hatte, was er wissen wollte. Ihr Name, ihr Titel waren ohne Belang; sie würde ihn trotzdem heiraten. Gut. Weil er sie eindeutig heiraten würde, komme, was da wolle. Je eher, desto besser.
Es gab keinen Grund, weshalb er nicht um die Tochter eines Earls anhalten konnte. Seine Familie war eine der ältesten der guten Gesellschaft, besaß Verbindungen zu mehreren der führenden Familien. Seinen Landbesitz konnte man als ordentlich beschreiben, aber sein Privatvermögen war immens; sein Status als einer der wenigen, die auserwählt waren, den Sport der Könige zu regieren, einen Status, den ihr kürzlicher Triumph nur erhöht hatte, würde dafür sorgen, dass Lord Kentland keinen Grund hätte, seine Werbung abzuweisen.
»Heirate mich.«
Sie blinzelte verwundert. Dann starrte sie ihn mit offenem Mund an, und ihre smaragdgrünen Augen wurden groß und größer. »Was? Was hast du gesagt?«
Er biss die Zähne zusammen. »Ich habe gesagt: Heirate mich. Das hast du sehr wohl verstanden.«
Sie wich zurück, schaute ihn an, als sei er das seltenste Exemplar der Gattung Mensch, das ihr bislang begegnet war, aber dann sah er Argwohn und Misstrauen in ihrem Blick aufflackern und Fuß fassen. Sie holte Luft und fragte mit wackeliger Stimme: »Warum?«
»Warum?« Ein ganzer Strauß möglicher Antworten schoss ihm durch den Sinn. Weil er wahnsinnig würde, wenn sie es nicht bald tat? Weil er sie in seinem Leben brauchte und sie ihn in ihrem? Weil es auf der Hand lag? Weil sie intim miteinander gewesen waren und sie vielleicht schon sein Kind trug? Bei dem Gedanken wurden seine Knie ganz weich.
Ganz eindeutig war er schon halb schwachsinnig. »Weil ich es will.«
Ehe sie noch einmal fragen konnte »Warum?«, beugte er sich vor, bis sein Gesicht ihres fast berührte. »Und du willst es auch.«
Dessen war er sich hundertprozentig sicher.
Zu seiner Überraschung wurde sie blass. Sie kniff die Lippen zusammen, und ihre Miene verschloss sich. »Nein, tue ich nicht.« Sie spie die Worte fast aus.
Jetzt war er an der Reihe, sie anzustarren. Genauso ungläubig, wie sie ihn eben. Ebenso verblüfft.
Ehe er etwas darauf erwidern konnte, ehe er mit ihr darüber diskutieren und sie drängen konnte, hielt Pris eine Hand hoch. Wut und Ärger, Gekränktheit und Zorn waren eine machtvolle Mischung, die sich in ihr aufstaute. »Lass uns einmal sehen, ob ich das alles richtig verstanden habe.«
An seiner sich plötzlich verhärtenden Miene erkannte sie, dass ihre Augen Blitze schleuderten. Gut. Sie deutete in Richtung des Ballsaals. »Vor zehn Minuten ging ein schöner Abend - unser letzter gemeinsamer -
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