Eine Nacht wie Samt und Seide
Gesellschaft. »Jetzt begreife ich, dass ich über den von Russ gewählten Weg vorschnell ein Urteil gefällt habe.«
Er wandte sich an Pris, lächelte, sah zu Dillon. »Ich wollte Sie nicht aufhalten. Meine Tochter und ich werden später noch genug Zeit haben, uns zu unterhalten und alles zu erzählen. Ich nehme an, Sie wollen tanzen?«
Die Musiker hatten gerade wieder begonnen. Dillon lächelte - ein Lächeln, in dem sie eine Warnung las -, nickte ihrem Vater zu und bemächtigte sich ihrer Hand. »Danke, Sir.« Er schaute sie an, hob eine Braue und öffnete den Mund, fing sich gerade noch und sagte unbewegt: »Lady Priscilla?«
Ihr Lächeln enthielt einen Anflug von Schwäche, aber sie brachte einen anmutigen Knicks zustande, berührte ihren Vater flüchtig am Arm, dann ließ sie sich von Dillon wegziehen. Ihr Vater und sein wundersames Auftauchen waren nicht der Grund dafür, dass ihr Herz so heftig klopfte. Als sie auf der Tanzfläche ankamen, wirbelte Dillon sie in den Tanz, geradewegs in eine kontrollierte Drehung, und sie spürte, wie sehr er sich beherrschen musste, wie schwer es ihm fiel, sich einigermaßen normal zu benehmen.
Ehe sie etwas sagen konnte oder auch nur überlegen, was sie sagen sollte, wo sie beginnen sollte, fragte er mit harter, unnachgiebiger Stimme: »Ich bin nicht wirklich bewandert im irischen Adel.« Sein Blick blieb weiter auf die anderen Paare gerichtet, durch die hindurch er mit ihr tanzte. »Hilf mir doch bitte. Kentland. Könnte das der Earl of Kentland sein?«
»Ja.« Pris bemühte sich, trotz ihrer mit einem Mal zu engen Lungen normal zu atmen. »Auf Dalloway Hall, in der Grafschaft Kilkenny.«
»Dalloway?« Seine Kiefermuskeln mahlten; ein Muskel zuckte in seiner Wange. Dunkle Augen, die vor Zorn unheilvoll glühten, richteten sich auf sie. »Ist das dein Familienname - dein wirklicher Familienname?«
Ein gewaltiges Gewicht presste sich auf ihre Brust. Sie konnte nicht sprechen, nickte nur.
Eine Sekunde verstrich, dann dehnte sich sein Brustkasten, als er tief Luft holte.
»Es ist immer angenehm, den Namen der Dame zu kennen, die ich ...«
Pris schloss die Augen, wünschte sich, sie könnte auch die Ohren verschließen, aber sie hörte, was er sagte, verstand, was Männer meinten, wenn sie das Wort benutzten.
Er schwang sie in eine enge Drehung, bei der sie dichter an ihn gedrückt wurde. Sie bemühte sich, ein Keuchen zu unterdrücken. Eine Sekunde später fluchte er leise.
Sie hob die Lider, konnte ihm aber nicht in die Augen sehen. Wenn er weiter so mit ihr tanzte, würde es den Leuten auffallen.
Das musste er auch bemerkt haben; wieder entfuhr ihm ein leiser Fluch. Ohne stehen zu bleiben tanzte er mit ihr an den Rand der Fläche, ließ sie los, nahm ihre Hand und zog sie aus dem Raum.
Ehe sie fragen konnte, wohin er sie bringen wollte, verkündete er scharf: »Der Salon, weißt du noch?«
Sie schluckte, versuchte ihr Herz durch Willenskraft an die Stelle zu drängen, an die es von Rechts wegen gehörte. Verzweifelt versuchte sie ihre Sinne unter Kontrolle zu bringen, sich zu fassen, aber ... damit hätte sie nie gerechnet. Sie hatte praktisch vergessen, dass er sie als Miss Priscilla Dalling kannte, dass sie die alte Lüge nicht richtiggestellt hatte, obwohl er sie nun in jeder erdenklichen Hinsicht kannte.
Er zerrte sie über einen Flur weg vom Ballsaal, stieß eine Tür auf und stürmte in das Zimmer dahinter, zog sie mit sich und ließ sie endlich los, warf die Tür ins Schloss.
Priscilla drehte sich zu ihm um. So hatte sie sich ihren Abschied eindeutig nicht vorgestellt.
Aber was sie in seinen Augen las, die eindringlich auf ihr ruhten, vertrieb jeden Gedanken aus ihrem Kopf.
»Lady Priscilla Dalloway - habe ich es endlich richtig gesagt?«
Er machte einen unverkennbar drohenden Schritt auf sie zu; sie wich prompt ein Stück zurück. Sie nickte.
»Die Tochter eines Earls.«
»Ja.« Es war eigentlich keine Frage, aber sie reckte ihr Kinn und antwortete ihm trotzdem. Ihre eigene Stimme zu hören statt immer nur seine wütende half ihr.
Er folgte ihr, während sie weiter zurückwich - ihr drängte sich der Vergleich mit einem Panther auf - oder meinte sie nicht doch einen Jaguar? Welches Raubtier auch immer gefährlicher war, das meinte sie.
Daran erinnerte er sie, als er ihr durch den Raum folgte, seine dunklen Augen loderten in unseliger Wut. Dieses Temperament, das sie bestens verstand, hätte sie besser beschwichtigt, aber sie hatte keine Ahnung,
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