Eine Nacht wie Samt und Seide
gerade ganz zivilisiert zu Ende. Wir standen kurz davor, uns in aller Freundschaft voneinander zu verabschieden und uns für die Zukunft alles Gute zu wünschen.« Sie verschränkte die Arme vor sich, hob ihr Kinn, hielt den Blick fest auf ihn gerichtet. »Aber dann hast du erfahren, dass ich die Tochter eines Earls bin, dass die junge Dame, mit der du eine intime Beziehung aufgenommen hast, die Tochter eines hohen Adeligen ist, und aus heiterem Himmel beschließt du, dass wir heiraten müssen.«
Sie ließ ihm nur einen Moment, diese Darstellung aufzunehmen, ehe sie unwiderruflich verkündete: »Nein. Ich bin nicht damit einverstanden! Ich werde niemals einer Heirat zustimmen, nur weil die Gesellschaft es für nötig hält.«
Unter ihren Worten war so viel Ärger zu hören, dass sie nicht ganz fest klangen, aber eigentlich war es Schmerz, der sie erfasste, der sie bis tief in ihre Seele erschütterte. Sie holte Luft, klammerte sich an ihren Zorn, auf dass er ihr Kraft gäbe. »Ich wusste genau, was ich tat. Ich hätte nie geglaubt, dass Heiraten Teil unserer Übereinkunft wäre, weil es das nicht war, wie wir beide gut wissen. Was wir hatten, war eine Affäre, eine Abfolge einvernehmlicher Treffen. Es gab einen Grund für das erste Mal. Und für das zweite, wenn du dich erinnern willst. Zum Rest kam es aber, weil wir beide es wollten.«
Seine Miene war wie versteinert, harte Linien, verkrampfte Muskeln; nur seine Augen schienen lebendig; sie brannten. »Glaubst du allen Ernstes ...«
»Ich weiß, dass du mich nicht verführt hast - ich habe nämlich dich verführt.« Sie erwiderte jeden Blick von ihm ebenso finster. »Glaubst du allen Ernstes, dass ich das getan habe, damit du dich jetzt verpflichtet fühlst, mich zu heiraten? Dass ich getan habe, was ich tat - mit dir intim geworden bin, um dich dazu zu verleiten, um mich anzuhalten?«
Zorn schwang in ihrer Stimme mit, und dann ließ sie ihrem Temperament die Zügel schießen. Lieber das, als den anderen Gefühlen, die in ihr tobten.
Verwirrung und Empörung spiegelten sich in seinem dunklen Blick. »Ich habe nie gesagt ...« Er runzelte die Stirn, eine steile Falte bildete sich zwischen seinen finster zusammengezogenen Brauen. »So war es doch gar nicht.«
»Doch!« Ihre Stimme klang schrill; sie stand kurz davor, vor Erbitterung zu weinen, angesichts der bitteren Ironie des Schicksals. Bis er die Worte ausgesprochen hatte, das Gespenst geweckt hatte, das sie bis dahin ignorieren konnte, war alles gut. Sie konnte so tun, als ob sie ihn gar nicht heiraten wollte. Sie konnte glauben, dass eine Affäre und Erfahrung alles war, was sie sich je gewünscht hatte.
Aber jetzt hatte er die verhängnisvollen Worte ausgesprochen - nur aus völlig falschen Gründen. Aus den schlimmsten aller falschen Gründe. Indem er das getan hatte, hatte er ein Bild erstehen lassen, jetzt konnte sie nicht länger die Augen vor der Wahrheit verschließen. Ihn zu heiraten, seine Frau zu werden, das war der Traum, den sie sich selbst nicht einzugestehen gewagt hatte, den sie sich eingeredet hatte, nicht zu hegen.
Es gab keinen einfachen Weg, die Zeiger der Uhr zurückzudrehen, noch einmal von vorne zu beginnen, als seien sie schlicht Mann und Frau, die Wirklichkeit dessen zu ignorieren, was zwischen ihnen in den letzten Wochen geschehen war.
Es war ausgeschlossen, dass sie heirateten, ohne zu wissen, dass es die Regeln der Gesellschaft waren, die sie dahin gebracht hatten, und nicht Liebe.
Das würde sie nie hinnehmen.
Besonders bei ihm nicht. Besser als jeder andere wusste sie, es war unmöglich, eine wilde, zügellose Seele einzufangen, ohne sie zu verletzen.
Sie erwiderte seinen Blick, klammerte sich an ihre Fassung, hob das Kinn weiter. »Gleichgültig, ich habe keinerlei wie auch immer geartetes Interesse daran, überhaupt zu heiraten.«
Er starrte sie an, immer noch mit finster gerunzelter Stirn atmete er zischend aus. Er hob eine Hand, fuhr sich damit durchs Haar.
Sie nutzte die Gelegenheit; sie hielt es nicht aus, hier zu stehen und mit ihm zu streiten, wenn es sich so anfühlte, als ob jedes Wort, jeder Satz ein weiterer Stein war, der ihr Herz traf. »Ich wünsche dir allen nur vorstellbaren Erfolg bei deinen zukünftigen Vorhaben.« Sie duckte sich und huschte an ihm vorbei zur Tür. »Und ich hoffe ...« Eine Hand auf der Türklinke, schaute sie zu ihm zurück.
Er hatte sich umgedreht, starrte sie mit völlig verblüffter, vollkommen ungläubiger Miene an.
Sie
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