Eine Nacht wie Samt und Seide
um sie angehalten, weil du dich dazu verpflichtet fühlst. Sie hat gefragt, warum, und du hast sie das glauben lassen. Wie dumm.«
»Das war es nicht allein.«
»Nein, allerdings. In der einen Minute brüllst du sie an - du hast doch gemerkt, dass du gebrüllt hast, oder? Dann fragst du sie nicht, sondern sagst ihr - befiehlst ihr dich zu heiraten. Aua! Ich an ihrer Stelle hätte dir auch den Kopf gewaschen, jawohl.«
Dillon blickte Prue an, studierte starr ihre vernichtend unbeeindruckte Miene, eine volle Minute lang, dann sprang er auf die Füße und eilte zur Tür.
»Wohin willst du?«
Die Hand auf der Türklinke sah er hinter sich; Prue öffnete ihr Buch. Sie schaute ihn fragend an. Er erwiderte ihren Blick und lächelte drohend. »Ich werde sie finden, sie irgendwohin bringen, wo niemand uns belauscht, und es ihr dann in schlichten, klaren Worten erklären, die niemand einem im Mund verdrehen kann.«
Er riss die Tür auf, ging hindurch und schloss sie mit einem nachdrücklichen Klicken.
18
Am folgenden Nachmittag lenkte Dillon, getrieben von einer Mischung aus Frustration, Erbitterung und Verunsicherung, seine schwarzen Kutschpferde auf die Auffahrt von Carisbrook House, er war nicht sicher, was ihn erwarten würde, wenn es ihm endlich gelänge, Pris zu fassen zu bekommen und zur Rede zu stellen ... und was er dann täte.
Letzte Nacht war er zum Ballsaal zurückgekehrt, doch er konnte sie nirgends entdecken. Schließlich hatte er Humphries aufgespürt, Demons Butler, und von ihm erfahren, dass Lord Kentlands Gesellschaft bereits vor zehn Minuten gegangen war, da Lady Priscilla von einem plötzlichen Unwohlsein befallen worden war.
Im Geiste hörte er Prue unbeeindruckt schnauben, aber dass Pris vor ihm weglief, beunruhigte ihn. Wenn sie nur wütend gewesen wäre, wäre sie geblieben und hätte mit jedem Gentleman geflirtet, der willens war, ihren Reizen zum Opfer zu fallen.
Stattdessen musste sie aufgewühlt gewesen sein, wenn sie Unwohlsein vorgeschoben hatte und weggelaufen war.
Das war es, was ihn im Salon gestern abgelenkt hatte - die Gekränktheit, die er in ihrem Blick flüchtig wahrgenommen hatte. Sein Verstand beschäftigte sich sogleich mit der Frage, was sie kränkte und wie es zu beseitigen war. Selbst wenn er selbst der Auslöser dafür gewesen war.
Wenn er Prue glaubte, war Pris der Ansicht, er habe nur um sie angehalten, weil er sich dazu moralisch verpflichtet fühlte. Stirnrunzelnd fuhr er weiter. Egal, was sie dachte, moralische Verpflichtung spielte eine Rolle - oder hätte eine Rolle gespielt, wenn er nicht ohnehin vorgehabt hätte, sie zu heiraten.
Ehrenhaftigkeit war Teil seines Wesens, er konnte nicht so tun, als wäre es unwichtig. Er war sicher auch wild und zügellos, aber das verhinderte nicht, dass er sich ehrenhaft verhielt. In diesem Fall jedoch waren Ehrenhaftigkeit und moralische Verpflichtung eher nebensächlich; das waren nicht die Gründe, weshalb er sie heiraten wollte.
Eine lange Nacht des Nachdenkens - was leicht genug war, wenn man sich allein im Bett hin und her wälzte - hatte ihn zu der Einsicht geführt, dass er einen Fehler begangen hatte, und zwar einen schweren, indem er auch nur einen Augenblick lang Pris in dem Glauben gelassen hatte, dass moralische Verpflichtung eine Rolle bei seiner Entscheidung gespielt hatte, ihr einen Antrag zu machen. Indem er auch nur einen Herzschlag lang in Erwägung gezogen hatte, das als Vorwand für seine wahren Beweggründe zu benutzen.
Ganze zehn Sekunden lang war er ein Idiot gewesen - viel weniger als eine Minute -, man konnte sehen, wohin es ihn geführt hatte.
Prue, da war er sicher, würde ihn mit vernichtender Verachtung darauf hinweisen, was das bedeutete.
Was der Grund war, weshalb er nach Pris schaute, bereit und entschlossen, reinen Tisch zu machen, egal, was es ihn kostete. Er hatte nach Worten gesucht, nützlichen Sätzen - entsetzt von dem, was ihm einfiel, hatte er aufgehört und aufgegeben.
Er wartete lieber, bis der Moment gekommen war, da er sie aussprechen musste. Sich im Voraus den Kopf zu zerbrechen war nicht hilfreich.
Besonders da tief in seinem Herzen eine kalte dunkle Wolke der Unsicherheit war. Was, wenn er sich geirrt hatte? Was, wenn sie in ihm wirklich nicht mehr sah als ihre erste Affäre? Ihren ersten Liebhaber - und nicht auch ihren letzten?
Die kalte Wolke wuchs; er schob solche Gedanken zur Seite. Das Haus kam näher, er zügelte seine Tiere, lenkte sie auf den Hof bei den
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