Eine Nacht zum Sterben
wichtig, daß wir alle zusammenbleiben – noch Fragen?«
Plötzlich gab es einen Ruck, und die Leopard legte sich auf die Seite. Preston verlor das Gleichgewicht und fiel ins Wasser. Er kam sofort wieder an die Oberfläche und hielt sich an der Reling fest. Es gelang ihm sogar ein Lächeln. »So was sollten wir öfter machen. Am besten gleich über Bord mit der Luke. Ich habe das Gefühl, der Kahn macht es nicht mehr lange.«
Seltsam, daß man von einem Schiff immer wie von einem lebendigen Wesen mit einer Seele sprach. Chavasse machte ein paar ungelenke Schwimmbewegungen, er stieß mit dem Korkgürtel an die Holztür. Er drehte sich um und sah, wie die Leopard im Wasser versank. Einen kurzen Augenblick noch leuchteten die grünen und roten Navigationslampen, dann senkte sich auch der Mast der Barkasse. Sie verlöschten.
Die Dunkelheit war der schlimmste Feind – nicht die Kälte, obwohl auch die ihnen schon genug zu schaffen machte. Aber die Körpertemperatur hatte sich nach einiger Zeit auf die ungewöhnlichen Verhältnisse eingestellt, und es machte viel aus, daß sie alle ihre Kleidung anbehalten hatten.
Es blieb noch lange dunkel, und Mrs. Campbell hörte nicht mehr auf zu stöhnen. Von Zeit zu Zeit bekam sie furchtbare Weinkrämpfe; zu helfen war ihr nicht.
Allmählich fing es dann an zu dämmern, der Nebel war immer noch dicht, und am Horizont bildete sich ein strahlendes Grau. Sehen konnte man keine hundert Meter weit, und es kam jetzt eine frische Brise auf; Chavasse spürte, daß seine linke Kopfseite eiskalt geworden war. Um sie herum bildeten sich Schaumkronen auf den Wellen. Er beugte sich über Hamid, der sich neben ihm an der Lukentür festhielt. Der Schwimmgürtel hielt den alten Mann gut über Wasser, aber sein Turban war voll Wasser gesogen, und in seinem Gesicht ahnte man unter der Haut jeden einzelnen Knochen.
»Schaffen Sie’s noch? Können Sie sich festhalten?«
Hamid nickte nur, und Chavasse schwamm auf die andere Seite zu Darcy Preston. Der Mann aus Jamaika empfing ihn mit einem müden Grinsen.
»Der Wind wird stärker, merken Sie das?« sagte Chavasse. »Wir treiben bald schneller an Land, aber es wird ungemütlich werden; wir müssen aufpassen.«
Preston machte den Mund auf und wollte schreien, aber es war kein Laut zu hören. Chavasse drehte sich um und sah eine graugrüne riesige Wand auf sie zukommen; eine rasende Welle, die den Himmel verdeckte. Es gab keinen Ausweg, keine Möglichkeit zur Flucht. Die unglückliche Mrs. Campbell konnte nicht einmal mehr schreien. Die Welle hob das Brett, auf dem sie lag, wie ein Stückchen Kork auf, wirbelte es herum und schmetterte es in die Tiefe. Chavasse kam in einem Wirbel von weißer Gischt an die Oberfläche; er rang nach Luft, aber er trieb oben; der alte Schwimmgürtel hatte gehalten. Mrs. Campbell kam vielleicht zehn Meter weiter seitlich nach oben, und Darcy Preston schwamm sofort hinter ihr her. Hamid war zur anderen Seite abgetrieben; Chavasse kümmerte sich um ihn.
Der alte Mann sah arg mitgenommen aus. Er hatte seinen Turban verloren und lag vollkommen erschöpft im Wasser; seine langen silbergrauen Haare trieben aufgelöst um seinen Kopf. Als Chavasse ihn fast erreicht hatte, riß der Wind ein Loch in die Nebelwand, und er konnte tief unten am Horizont Land erkennen. Bis zur Küste war es keine Meile mehr.
Sollte sich Jacaud so sehr verschätzt haben? Aber vielleicht hatte sie die Strömung auch schneller vorangetrieben, als er es bemerkt hatte. Er drehte sich in die Richtung von Preston, der immer noch hinter Mrs. Campbell herschwamm, und rief: »Land, Preston, Land!«
Preston hob einen Arm, um zu zeigen, daß er verstanden hatte; dann schwamm er weiter. Die Nebelbank schloß sich wieder, Chavasse war jetzt bei dem alten Mann und zog ihn an sich.
»Es kann nicht mehr lange dauern. Ich habe schon Land gesehen.« Hamid lächelte schwach, zum Sprechen war er zu erschöpft. Chavasse holte die Flasche Rum aus der Tasche und zog den Korken mit den Zähnen heraus. »Trinken Sie.«
Mit Gewalt machte er den Mund des alten Mannes auf und goß Rum hinein. Hamid hustete und würgte und wandte den Kopf zur Seite. »Das ist gegen meine Religion«, keuchte er.
Chavasse grinste. »Allah wird Ihnen für dieses Mal verzeihen, alter Mann«, sagte er auf urdu und trank dann die Flasche allein aus.
Seltsamerweise war der Alte gar nicht verwundert, in seiner eigenen Sprache angesprochen zu werden. Er antwortete auf urdu: »Wenn ich
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