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Eine Nacht zum Sterben

Eine Nacht zum Sterben

Titel: Eine Nacht zum Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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leben darf, dann geschieht es mit Allahs Willen. Wenn ich sterben muß – dann soll es sein.«
     
    Eine halbe Stunde war vergangen, und allmählich machte Chavasse die Kälte doch sehr zu schaffen. Er hatte den Gürtel von seinem Regenmantel abgezogen und sich damit an Hamid festgebunden, der noch neben ihm trieb. Von Darcy Preston und Mrs. Campbell war nichts mehr zu sehen.
    Der alte Hamid schwieg; er hielt die Augen geschlossen, sein Gesicht war blau gefroren und sah aus wie eine Totenmaske. Chavasse gab ihm ein paar leichte Ohrfeigen, und er öffnete die Augen und starrte ins Leere. Er schien etwas zu erkennen. Seine Lippen bewegten sich, und er flüsterte.
    »Ali – Ali, bist du es, mein Sohn?« fragte er auf urdu.
    »Ja, mein Vater.« Chavasse mußte seine ganze Konzentration zusammennehmen, um korrekt zu antworten. »Es dauert nicht mehr lange. Wir sind bald zu Hause.«
    Der alte Mann lächelte und schloß die Augen. Plötzlich erfaßte sie eine Welle und hob sie meterhoch, Chavasse konnte durch den strömenden Regen Klippen erkennen; bis zur Küste war es nicht mehr weit. Vor ihnen rollten die Wellen an Land und überschlugen sich schäumend.
    Sie trieben nun schneller; eine starke Strömung hatte sie erfaßt. Chavasse hielt den alten Mann, so fest er konnte; eine Welle schlug über ihnen zusammen. Eine zweite stärkere packte sie, drückte sie auseinander und zog sie in die Tiefe. Chavasse blieb lange unter Wasser; er hatte die Orientierung verloren und kämpfte um sein Leben wie ein Fisch an der Angel. Sein Schwimmgürtel war weg, der alte Hamid war weg; er nahm alle seine Kraft zusammen, um besonnen zu bleiben. Wenn er sterben mußte, dann wollte er kämpfend sterben.
    Er kam an die Oberfläche, sog seine Lungen voll Luft und ging wieder unter; unter Wasser riß er die Knöpfe von seinem Mantel. Er konnte den Mantel ausziehen und auch die Jacke. Dann kam er wieder nach oben und holte Luft. Für die Schuhe brauchte er länger; seine Füße waren in dem kalten Salzwasser angeschwollen, aber er bekam sie frei und konnte nun schwimmen.
    Plötzlich spürte er Boden unter den Füßen. Wieder drückte ihn eine Welle unter Wasser. Die nächste Welle warf ihn weit nach vorn. Er fand sich in knietiefem Seetang wieder.
    Wieder schlug eine Welle über ihm zusammen. Er bekam felsigen Boden zu fassen und hielt sich krampfhaft an einem Vorsprung fest, als die Wassermassen über ihm zusammenstürzten. Er kam auf die Beine und taumelte über den steinigen Boden auf einen weißen Sandstreifen am Fuße der Klippen in Sicherheit.
    Er lag auf dem sandigen Boden und rang nach Luft. Dann zwang er sich aufzustehen. Hamid – er mußte Hamid suchen. Das Seewasser war überall, in seinem Mund, den Ohren, seiner Kehle, und in seinem Kopf dröhnte es, als er den Strand entlangstolperte.
    Da sah er Hamid. Er lag nur zehn oder fünfzehn Meter weiter an einer seichten Stelle. Das Wasser überflutete ihn. Chavasse rannte los und rief auf urdu: »Ich komme, ich komme! Aushalten!«
    Wie blödsinnig, dachte er. Der alte Mann mußte tot sein, das konnte er nicht überlebt haben! Er zog seinen Körper aus dem Wasser, drehte ihn um, und wie durch ein Wunder öffnete der Alte noch einmal die Augen.
    Hamid lächelte, sein Gesicht sah entspannt und gelöst aus. »Ali, mein Sohn, ich wußte, daß du kommst«, flüsterte er. »Gib mir deinen Segen.«
    »Du sollst deinen Segen haben, alter Mann, halt meine Hand«, sagte Chavasse auf urdu. »Gesegnet seist du und dreimal gesegnet. Geh mit Allah.«
    Der alte Mann lächelte erlöst, schloß die Augen und starb.
    Chavasse kniete noch eine Weile neben ihm und starrte vor sich hin. Er spürte seine nasse Kleidung nicht und nahm auch die Kälte nicht wahr. Erst als er schließlich aufstand, sah er, daß Darcy Preston hinter ihm gestanden und ihm zugesehen hatte. Genau wie Chavasse hatte er auch nur noch Hemd und Hosen an, und sein Schwimmgürtel war auch verschwunden. Er hatte zwei böse Schrammen im Gesicht und am linken Arm.
    »Was ist mit Mrs. Campbell?« fragte Chavasse.
    Preston hob die Schultern. »Ich bin ihr noch nachgeschwommen, als uns diese Riesenwelle auseinandergetrieben hat, aber die Strömung war zu stark für mich. Als ich sie zum letzten Mal gesehen habe, schwamm sie noch oben. Vielleicht schafft sie es.«
    Aber das glaubte er selbst nicht, und Chavasse glaubte es auch nicht. Er sagte müde: »Wollen wir machen, daß wir hier wegkommen.«
    »Sollen wir ihn denn hier

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