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Eine Nacht zum Sterben

Eine Nacht zum Sterben

Titel: Eine Nacht zum Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Sie, was?« Seine Stimme war nur ein Flüstern. Als er neben ihm stand, sah Chavasse die gezackte Narbe von seinem rechten Ohr bis zum Mundwinkel.
    »Ein feines Schiff.«
    »Kann man wohl sagen. Rumpf aus Stahl, Radar, Echolot. Und macht fünfunddreißig Knoten. Verstehen Sie was von Schiffen?«
    »Ein bißchen. Sind Sie Gorman?«
    »Ja. Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich würde gern ein bißchen auf die Reise gehen, wenn Ihr Schiff frei ist.«
    Gorman schüttelte den Kopf. »Zum Fischen ist es heute schon zu spät.«
    »Ich dachte an etwas anderes«, sagte Chavasse. »Ich muß ziemlich schnell über den Kanal, und von einem Freund habe ich gehört, Sie wären dafür der richtige Mann, wenn die Kasse stimmt.«
    Gorman sah die Bucht hinunter; er pfiff durch die Zähne und überlegte. Dann sagte er: »Wie heißt dieser Freund?«
    Chavasse tat verlegen. »Um ehrlich zu sein: es war nicht mein Freund. Nur ein Kumpel, den ich zufällig in einer Kneipe in Soho getroffen habe. Er meinte, ich sollte mich an Sie wenden, wenn ich mal schnell rausmüßte aus England.«
    Gorman drehte sich um und sagte im Gehen über die Schulter: »Kommen Sie mit in mein Büro. Es gibt sowieso gleich Regen.«
    Chavasse folgte ihm über die wacklige Holztreppe zur Terrasse vor dem Büro. Oben blieb erstehen und sah sich blitzschnell um. Zwischen den Wracks hatte sich etwas bewegt. Ein Hund vielleicht oder ein wildes Kaninchen. Er spürte ein flaues Gefühl im Magen, als er durch die Tür ins Büro trat.
    Drinnen sah es nicht gerade sehr aufgeräumt aus. Gorman wischte mit einem Arm die Tischplatte frei und holte eine Flasche Whisky und zwei Gläser.
    »Sie wollen also ziemlich dringend übers Wasser?« sagte er.
    Chavasse stellte seine Aktentasche auf den Tisch und machte sie auf. Er hob ein Hemd hoch; darunter lagen tausend Pfund, gebündelt in englischen Fünfernoten und französische Francs. Es sah nach viel mehr Geld aus; Gormans schielendes Auge kam in Bewegung.
    Chavasse nahm zwei Bündel Fünfernoten heraus und schob sie über den Tisch. »Sie sehen, ich hab’s ziemlich eilig, Gorman. Das sind zweihundert; hundert gebe ich Ihnen noch, wenn Sie mich an der französischen Küste absetzen, ohne daß dumme Fragen gestellt werden. Ist das ein Angebot?«
    Gorman setzte ein fieses Grinsen auf. Er strich das Geld ein und steckte es in eine abgenutzte Brieftasche. »Wann wollen Sie los?«
    »Je eher, desto besser.«
    Gorman grinste wieder; sein Grinsen war wirklich sehenswert. »Also worauf warten wir noch?« sagte er, stand auf und ging los.
     
    Das Schiff hieß Mary Grant , und es war wirklich so gut, wie es aussah. Chavasse stand an der Reling; sie hatten die Bucht bald verlassen und fuhren auf die offene See; er atmete die frische Salzluft in tiefen Zügen ein. Er war wieder unterwegs, und das war ein gutes Gefühl, wenn er auch nicht wußte, was ihn erwartete. Und genau das faszinierte ihn so an seinem Beruf, wenn er ehrlich war. Kein Tag in seinem Leben war wie der andere; nichts war vorhersehbar.
    Die Wellen, die jetzt gegen den Schiffsrumpf schlugen, machten hohle Geräusche; das ganze Schiff vibrierte leicht. Sie hatten jetzt die Bucht hinter sich und waren in der Kanalströmung. Er ging zum Steuerhaus und blieb im Eingang stehen.
    »Wo wollen Sie mich absetzen?«
    »Wo Sie wollen«, sagte Gorman. »Sie sind der Boss.«
    »Ich hatte an eine etwas abgelegenere Gegend gedacht. Die Bucht von St. Malo oder die Bretagne. Von da komme ich gut nach Marseille weiter.«
    »Ist mir recht.«
    Gorman drehte das Steuer ein paar Striche, und Chavasse sagte: »Ich gehe jetzt nach unten und mache ein kleines Nickerchen.«
    »Das Beste, was Sie tun können. Wenn wir die erste Hälfte hinter uns haben, kann es ein bißchen ungemütlich werden. Das Barometer ist gefallen. In der Kombüse steht eine große Thermosflasche mit Kaffee.«
    Chavasse ging nach unten in die Kabine. Er war müde – verdammt müde, und das war kaum erwunderlich. Er fand die Thermosflasche in der Kombüse, goß sich eine Tasse ein und ging wieder in die Kabine. Er trank den Kaffee langsam aus und überdachte noch einmal die Situation. Eine Konfrontation mit Gorman würde jetzt nichts einbringen; das hatte Zeit bis nachher.
    Sein Gehirn wollte plötzlich nicht mehr recht funktionieren. Er war wirklich todmüde, zum Umfallen müde. Er legte sich auf die gepolsterte Sitzbank und starrte an die Kabinendecke. Die Bohlen an der Decke schienen sich langsam und kaum merklich zu kräuseln

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